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Reality-TV auf dem Weg ins Abseits?

Elisabeth Gründer25. November 2004

Die amerikanischen Fernsehzuschauer bekommen immer unrealistischere Reality-Serien zu sehen. Doch der Zenit ist überschritten, das Interesse an den US-Ekelsendungen rückläufig.

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Wer noch vor ein, zwei Jahren mit offenem Mund und mit weit aufgerissenen Augen die Sendung "Fear Factor" verfolgt hat, schaut sich nun gähnend und Ben&Jerry's-Eiscream löffelnd an, wie zum Beispiel eine hübsche Blondine einen gräulichen Brei aus einer Glasschüssel in sich hineinschaufelt, während sich ihre brünette Gegnerin in eine bereitstehende Tonne übergibt. Beide hatten soeben in einem Wettessen eine tote Ratte verspeist, die vorher in einem Mixer fein gestückelt und zu Brei gemixt wurde. "Sie ist ein Tier", wird der Erfolg der Blondine von einem Mitspieler kommentiert, kurz bevor er erfährt, dass er selbst als nächste Aufgabe Kakerlaken in seinem Mund von Gefäß A nach Gefäß B transportieren muss. Derweil wechselt der US-Zuschauer gelangweilt den Kanal, denn solche Schocker können ihn schon lange nicht mehr vom Fernsehhocker hauen.

Mancher Show geht die Puste aus

Unter 40 Reality-Shows kann sich der amerikanische Zuschauer derzeit aussuchen, welche Pseudo-Realität er denn heute auf der Mattscheibe verfolgen möchte. Pseudo-Realität deswegen, weil diese Shows meist so nahe an der Wirklichkeit sind wie etwa der Science-Fiction-Film "Herr der Ringe". Nach Big-Brother-Containern und Dschungel-Camps tauschen nun in "Trading Spouses" Ehepaare für einige Wochen ihre Partner, und weniger attraktive Frauen und Männer lassen sich in "I want a famous Face" ihr Gesicht nach dem Vorbild ihres Idols zurechtschnipseln. Klingt spannend, war es eine Zeit lang auch, doch langsam aber sicher geht den Reality-Shows die Puste aus.

Sendungen wie die Turtelshow "The Bachelor", die Donald-Trump-Show "The Apprentice" und "Fear Factor" haben im Vergleich zur vorherigen Saison bis zu einem Drittel ihrer Zuschauer eingebüßt. Unaufhaltsam rutschen die Quoten in den Keller, und Fernsehbosse zerbrechen sich die Köpfe darüber, wie sie den Zuschauer auf ihren Kanal locken können. Derzeit vermuten Medienexperten, dass die Zuschauer sich wieder nach guten Sendungen mit guten Skripten und begnadeten Schauspielern sehnen. Sie möchten wieder herzlich lachen oder weinen können vor dem Fernseher, oder sich mit Figuren aus "Sex and the City" oder "Desperate Housewives" identifizieren - der Erfolg der beiden Sendungen spricht für sich selbst.

Positive Botschaften statt Ekel-Stunts

Der amerikanische Reality-Fernsehmarkt lässt jedoch nicht locker. Einige Reality-Sendungen wie "Extreme Makeover: Home Edition" rangieren nach wie vor unter den Top Zehn in der Altersklasse der 18- bis 49-Jährigen - und das ist schließlich die für die Werbeindustrie interessanteste Zielgruppe. Das Erfreuliche aber ist, dass diese Erfolgssendungen eine positive, aufrichtende Botschaft haben, die an das Gute, und nicht an die kompromisslose Kühnheit im Menschen appelliert. An den Ekelshows wird in der Branche einfach kein Geld mehr mit Wiederholungen verdient. Der bekannte Fernsehproduzent Bernie Brillstein meint dazu: "Dreck kann man nicht weiterverkaufen".