1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Suche nach Kony eingestellt

Philipp Sandner6. April 2013

Ein Putsch in der Zentralafrikanischen Republik erweist sich als Chance für den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Joseph Kony: Suchtrupps stellen ihre Suche ein. Seine Rebellion ist damit nicht beendet.

https://p.dw.com/p/18Ai9
Rebellenführer Joseph Kony (Foto: Stuart Price/AFP/Getty Images)
Bild: Stuart Price/AFP/Getty Images

Er ist ein Mann, der gerne Erfolge vermeldet: Felix Kulaigye ist Sprecher der ugandischen Armee, einer der größeren und besser organisierten im südlichen Afrika. Doch diesmal muss Kulaigye passen: Die Jagd auf den berüchtigten ugandischen Rebellenführer Joseph Kony wurde am Mittwoch (03.04.2013) ohne Ergebnis abgebrochen. Kony ist die Nummer eins auf der Liste mutmaßlicher Kriegsverbrecher des Internationalen Strafgerichtshofs - gesucht wegen vorsätzlicher Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Versklavung und Rekrutierung von Kindersoldaten. "Die Entscheidung liegt nicht bei uns, sondern bei der Afrikanischen Union", so die verhaltene Reaktion des Armeesprechers.

Der Grund: Die Zentralafrikanische Republik (ZAR), wohin Konys Spur zuletzt geführt hatte, ist seit März in den Händen von Rebellen der Seleka, eines Zusammenschlusses verschiedener Gruppen von Aufständischen, die die Umsetzung geschlossener Friedensverträge fordern. Der Putsch ist scharf kritisiert worden - auch vonseiten der Afrikanischen Union (AU), unter deren Führung einige Tausend Soldaten nach Joseph Kony gesucht hatten. Die Regierung der Seleka-Rebellen in Bangui ist in Afrika nicht anerkannt. Deshalb hat Yoweri Museveni, Ugandas Staatschef und damit gleichzeitig oberster Befehlshaber der Armee, am Mittwoch den Abzug seiner Soldaten angeordnet.

Zentralafrikas selbsternannter Präsident Michel Djotodia (Foto: Getty Images)
Zentralafrikas selbsternannter Präsident Michel Djotodia ist international nicht anerkanntBild: Getty Images

Joseph Kony und die Rebellen der Lord's Resistance Army (LRA) beschäftigen Uganda bereits seit den achtziger Jahren. Zu den ersten Kämpfern der LRA gehörten Nordugander, die im Zuge der Machtübernahme durch Präsident Museveni aus der Armee verdrängt wurden und sich dagegen wehrten. Unter dem Kampf zwischen Rebellen und Armee hatte besonders die nordugandische Bevölkerung zu leiden. Militäroperationen mit US-amerikanischer Unterstützung - für sie ist Uganda ein wichtiger Bündnispartner im Kampf gegen den Terrorismus - führten schließlich dazu, dass sich Konys Miliz 2006 auf das Gebiet des Kongo und später in die ZAR zurückzog und von dort aus operierte.

Keine umfassende Friedensarbeit

"Solche Konflikte überleben dort, wo ein Machtvakuum besteht", sagt Kennedy Tumutegyereize von der Londoner Nichtregierungsorganisation Conciliation Resources, die die lokale Friedensarbeit unterstützt. Die Ortswahl wundert ihn nicht: "Das Gebiet, in dem die LRA operiert, ist vermutlich das Gebiet auf diesem Planeten, wo die wenigsten staatlichen Strukturen existieren." Für Tumutegyereize sind daher Regierungsbildung und Entwicklung wichtige Bestandteile der Arbeit für den Frieden. Sie seien eine Hilfe beim Aufbau gesellschaftlicher Strukturen. Mit militärischen Mitteln allein wird sich der Konflikt seiner Meinung nach nicht lösen lassen.

Doch gerade darauf stützte sich die ugandische Strategie in den letzten Jahren. Rund 2000 Soldaten des ostafrikanischen Landes verfolgten Kony bis nach Zentralafrika - und stellten damit mit Abstand den größten Teil der Suchtrupps, auch als die AU im September 2012 die Führung der Operation übernahm. Der Südsudan, die ZAR und die Demokratische Republik Kongo brachten zusammen nur einige hundert Soldaten auf. Auf Druck amerikanischer Lobbyorganisationen hatte sich 2012 auch eine hundertköpfige US-Spezialeinheit angeschlossen.

Screenshot des Youtube-Videos "Kony 2012" (Quelle: youtube.com)
Die US-Medienkampagne "Kony 2012" machte den Ugander bei Internetnutzern bekanntBild: youtube.com

Zweifel am militärischen Vorgehen

Doch in einem von Rebellen geführten Land kann die Mission ihre Arbeit jetzt nicht mehr fortsetzen. Das weiß auch Ugandas Armeesprecher Felix Kulaigye. Zunächst müsse man abwarten, zu welchem Ergebnis Verhandlungen der neuen Führung der ZAR mit der AU komme, erklärt er gegenüber der Deutschen Welle. Der Abbruch der Mission - eine unglückliche Entwicklung? "In einem Punkt schon", meint LRA-Experte Tumutegyereize in London. Denn in Gebieten, wo Soldaten der AU stationiert waren, sei es seltener zu Zwischenfällen gekommen. Andererseits habe die Miliz weiter Menschen entführt - ungeachtet der Präsenz der internationalen Suchtrupps. "Allein im Februar wurden nach unseren Ermittlungen 13 Menschen getötet und etwa ein Dutzend entführt."

Für den Ugander John Nsokwa von der Universität Makerere in Kampala ist das bisherige Vorgehen der Armee längst zur Farce verkommen. "Unsere politischen Führer sind ganz schön gerissen", sagt Nsokwa im Gespräch mit der DW. "Sie bekommen finanzielle Unterstützung, um Kony zu bekämpfen." Unterstützung, die sie umso mehr freue, als ihnen klar sei, dass Kony sich außer Landes befinde.

Trübe Aussichten

Vielleicht wollen die beteiligten Staaten den Konflikt ja gar nicht beenden. Diesen Eindruck hat jedenfalls Claude Dalembei, Politikwissenschaftler an der Université Catholique d'Afrique Centrale im kamerunischen Yaoundé. Dalembei verweist auf den Reichtum an Bodenschätzen in der Region. "Die Abwesenheit einer staatlichen Ordnung macht die informelle Ausbeutung dieser Rohstoffe möglich", schätzt Dalembei. So würden viele Staaten von der Unsicherheit im zentralen Afrika profitieren. Aus diesem Grund könne das Problem noch lange verschleppt werden. "Wenn informelle Verbindungen zwischen der LRA und verschiedenen Nachbarländern bestehen, können diese Länder den Rebellen abwechselnd Schutz bieten." Dalembei nennt das eine Politik der Willensbekundungen, die die wirklichen Probleme nicht angeht.

Luftbild von Norduganda aus dem Jahr 2012 (Foto: dapd)
In Norduganda sind die Folgen des Guerillakriegs noch heute sichtbarBild: dapd

Auch die USA kündigten an, die Suche nach Joseph Kony zu unterbrechen. Ganz aufgeben will man aber dann doch nicht. Am Donnerstag (04.04.2013) setzte Washington ein Kopfgeld aus: bis zu fünf Millionen Dollar für Hinweise, die zur Verhaftung Konys führen. "Vielleicht ist das ein weiterer verzweifelter Anlauf, um Wege jenseits militärischer Interventionen zu finden", vermutet Kennedy Tumutegyereize - und ist skeptisch, ob das an der Situation etwas ändern kann.