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Rechtsruck bei Präsidentenwahl in Chile

14. Dezember 2009

Bei der Präsidentenwahl in Chile hat Sebastián Piñera mit 44 Prozent mit Abstand die meisten Stimmen erhalten. Allerdings verpasste der 60-Jährige die für einen Sieg in der ersten Runde nötige absolute Mehrheit.

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Piñera mit seiner Frau (Foto: AP)
Wahlsieger Piñera muss noch die Stichwahl im Januar überstehen um Präsident Chiles zu werdenBild: AP

Bei den fünften allgemeinen Wahlen in Chile seit dem Ende der Pinochet-Diktatur haben die mehr als acht Millionen Wahlberechtigten über einen neuen Staatschef und die Zusammensetzung des Parlaments abgestimmt. Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen lag der konservative Milliardär Sebastián Piñera am frühen Montag (14.12.2009) mit 44 Prozent der Stimmen vor dem linksgerichteten Expräsidenten Eduardo Frei mit 30 Prozent. Für den Sieg in der ersten Runde waren mehr als 50 Prozent der Stimmen erforderlich. Deshalb kommt es am 17. Januar zu einer Stichwahl der beiden Kontrahenten. Zwei weitere Linkskandidaten haben nur sehr wenige Stimmen bekommen und dürfen bei der Stichwahl nicht teilnehmen.

Frei hofft auf mehr Stimmen bei der Stichwahl

Frei während einer Wahlkampfveranstaltung(Foto: AP)
Piñeras Konkurrent bei der Stichwahl im Januar ist Eduardo FreiBild: AP


Piñera kommentierte seine Ergebnisse euphorisch: Sein Sieg gehöre allen Chilenen, "dem Volk, das einen Regierungswechsel braucht". Sein Konkurrent Frei appellierte an das linke Lager, in der Stichwahl ihn zu unterstützen. "Das Volk hat uns gesagt, dass es Dinge gibt, die es nicht mag", sagte der 67-Jährige. Piñera galt bereits vor der Wahl am Sonntag als Favorit für die Nachfolge von Präsidentin Michelle Bachelet. Dies liegt vor allem an der Zerstrittenheit der Linken. Die amtierende Präsidentin ist zwar in Chile sehr beliebt, aber die Linke konnte sich auf keinen gemeinsamen Kandidaten für ihre Nachfolge einigen. So traten drei dem linken Parteienspektrum zugeordnete Politiker an, von denen keiner auch nur annähernd an die Popularität Bachelets herankommt.

Beliebte Präsidentin darf nicht kandidieren

Bachelet im Portrait (Foto: AP)
In Chile sehr beliebt: die bisherige Präsidentin Michelle BacheletBild: AP

Die bisherige Präsidentin Michelle Bachelet muss im März aus dem Regierungspalast La Moneda in der Hauptstadt Santiago de Chile ausziehen. Die chilenischen Gesetze erlauben mehrere Amtszeiten, schließen eine unmittelbare Wiederwahl aber aus. Die Sozialistin, die als erste Frau das Präsidentenamt in dem Andenstaat bekleidete, hat bereits angedeutet, beim nächsten Mal erneut antreten zu wollen. Wahrscheinlich mit guten Chancen: Sie erfreut sich am Ende ihrer Amtszeit einer durch Umfragen belegten Zustimmung von über 70 Prozent.

Ein Regierungswechsel würde nach Einschätzung politischer Beobachter jedoch keine dramatischen Änderungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik in dem für südamerikanische Verhältnisse wohlhabenden und stabilen Land nach sich ziehen. Jedoch könnte Piñera bei der Bekämpfung der Armut in dem von krassen sozialen Unterschieden geprägten Land andere Akzente setzen. Die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung sind nur mit etwa zwei Prozent an den Ausgaben aller Privathaushalte beteiligt, die reichsten zehn Prozent dagegen mit über 40 Prozent. Einen echten Kurswechsel könnte es unter Piñera hingegen in der Außenpolitik geben. Experten gehen davon aus, dass er den Beziehungen zu linksgerichteten lateinamerikanischen Regierungen wie denen in Venezuela, Bolivien und Nicaragua weniger Bedeutung beimessen und dafür die Verbindungen zum konservativ regierten Kolumbien und vor allem zu den USA aufwerten würde.

Chilenen vergleichen ihn mit Berlusconi

Santiago de Chile aus der Vogelperspektive (Foto: AP)
Chiles Hauptstadt Santiago de Chile ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des AndenstaatesBild: picture-alliance/ dpa

Sebastián Piñera erinnert viele seiner Landsleute an den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Piñera, einer der 700 reichsten Menschen der Welt, ist Eigentümer eines Fernsehkanals, besitzt Colo Colo, den populärsten Fußballverein des Landes und ruft in seinen Reden gerne Gott an, wobei er theatralisch gen Himmel blickt und die Arme in dieselbe Richtung reckt. Der 60-Jährige stammt aus einer Familie, in der mehrere Mitglieder als Minister oder Berater von sechs der vergangenen sieben Regierungen fungierten. Einer von ihnen, der frühere Botschafter Chiles bei den Vereinten Nationen, José Piñera, war angeblich auch Agent der CIA.

Der Wahlsieger ist aber vor allem als Miteigentümer der Fluggesellschaft LAN Chile, einer der größten und erfolgreichsten Fluglinien Lateinamerikas, bekannt. In seiner Eigenschaft als Unternehmer führte er schon Verhandlungen mit Staatschefs: Perus Präsidenten Alan García und Argentiniens ehemaligem Präsidenten Néstor Kirchner.

Populistischer Wahlkampf mit Lotterien

Piñera bei einer Wahlkampfveranstaltung (Foto: AP)
Piñeras Wahlkampfmethoden sind sehr umstrittenBild: AP

Sein Wahlkampf war jedoch von populistischen Aktionen durchzogen: "Wir werden eine Million Arbeitsplätze schaffen", versprach er immer wieder. Den Ärmsten hat er einen Bonus von umgerechnet etwa 55 Euro zugesagt und im Wahlkampf Lotterien veranstaltet, bei der es Haushaltsgeräte zu gewinnen gab. Die regierende Parteien Concertación und die Linke liefen Sturm gegen diese Art von Wahlgeschenken. Piñera stößt aber auch auf Widerstand in den eigenen konservativen Reihen, weil er sich bei dem historischen Referendum 1988 gegen die Bestätigung des inzwischen gestorbenen Diktators Augusto Pinochet als Präsident und für ein Ende der Diktatur ausgesprochen hatte. Kurz nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1990 entführten Mitglieder des Pinochet-Regimes sogar eines seiner Kinder.

Sollte er sich bei der Stichwahl durchsetzen, warten viel Arbeit auf den neuen Präsidenten: Trotz Fortschritten in der Sozial- und Wirtschaftspolitik herrscht in der chilenischen Bevölkerung große Unzufriedenheit. Das Regierungsbündnis aus Christdemokraten, Sozialisten und Sozialdemokraten ist seit dem Ende der Pinochet-Diktatur (1973-1990) vor zwei Jahrzehnten an der Macht.

Autor: Marcus Bölz (dpa, afp)
Redaktion: Frank Wörner