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Referendum ohne Wahl

Günther Birkenstock16. März 2014

Die Krim-Bewohner entscheiden an diesem Sonntag in einer Volksabstimmung über die Zukunft der ukrainischen Halbinsel. Es gilt als sicher, dass sie für einen Anschluss an Russland stimmen. Sie haben auch keine echte Wahl.

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Senioren geben in der Krim-Stadt Simferopol ihre Stimme in einem Wahllokal ab (Foto: REUTERS/Thomas Peter)
Bild: Reuters

Schon der Stimmzettel zeigt, dass bei dem Referendum eine deutliche prorussische Linie vorgegeben wird. Die erste Frage auf dem Wahlzettel lautet: "Sind Sie für die Wiedervereinigung der Krim mit Russland als Rechtssubjekt der Russischen Föderation?" Gemeint ist ganz einfach, ob die Krim Russland beitreten soll.

Die zweite Frage zeigt keine deutliche Alternative: "Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine?" Die Möglichkeit, für den Verbleib in der Ukraine zu stimmen, haben die Krim-Bewohner explizit nicht. Die Verfassung von 1992 entstand in der Zeit der Auflösung der UdSSR und beinhaltetete die Möglichkeit, auf der Krim ein Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen. Kurze Zeit nach ihrer Einführung wurde diese Verfassung wieder abgeschafft.

Bei der Abstimmung gilt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das heißt, es gibt keine Mindestanzahl von Stimmen, die für den Anschluss an Russland votieren muss. Auf ein solches Quorum hat die Krim-Regierung verzichtet. Zusammen mit der Tatsache, dass 60 Prozent der Krim-Bewohner Russen sind, erscheint damit das Ergebnis leicht vorhersagbar.

Abstimmung im Eilverfahren

Viel Zeit, sich ihre Entscheidung zu überlegen, hatten die 1,8 Millionen Wahlberechtigten auf der Krim nicht. Vor zwei Wochen (27.02.2014) wurde von dem Parlament der Krim - unter russischer Bewachung - ein Referendum für den 25. Mai angekündigt. Es sollte zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine stattfinden. Am 1. März verkündete der neue Ministerpräsident der Krim, Sergej Aksjonow, das Referendum solle bereits am 30. März stattfinden. Wenige Tage später beschloss das Krim-Parlament dann eine erneute Vorverlegung auf den 16. März. Dabei blieb es.

Neuer Ministerpräsident der autonomen Republik Krim (Ukraine) Sergej Aksjonow (Foto: DW-Redakteur Mikhail Bushuev)
Sergej Aksjonow, Ministerpräsident der Autonomen Republik Krim, unterstützt einen Anschluss der Krim an RusslandBild: DW/Mikhail Bushuev

Anschluss so gut wie sicher

In den Tagen vor dem Referendum bildeten sich vor allem in der Krim-Hauptstadt Simferopol lange Warteschlangen vor den Geldautomaten, weil viele Kunden ukrainische Geldscheine ziehen wollten. Zahlreiche bewaffnete Uniformierte patrouillierten auf den Straßen. Derzeit sind nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers bis zu 22.000 russische Soldaten auf der Krim. Wie Russlands Staatschef Putin sagt, sollen sie die Sicherheit der russischen Bevölkerung garantieren.

Pro-russische Wachen vor dem Parlament in Simferopol (Foto: dpa)
Parlament und Parlamentarier stehen auf der Krim unter russischer BewachungBild: picture-alliance/dpa

Am Sonntag öffneten auf der Krim um 8 Uhr Ortszeit (7 Uhr MEZ) unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen die 1200 Wahllokale. Um 20 Uhr Ortszeit (19 Uhr MEZ) schließen die Wahllokale. Die moskautreue Krim-Führung rechnet mit mehr als 80 Prozent Zustimmung für einen Anschluss an Russland.

Nach Behördenangaben lief die Abstimmung bisher ohne Zwischenfälle. Bis zum Mittag hätten bereits annähernd 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, sagte der prorussische Regierungschef Aksjonow am Sonntag im russischen Staatsfernsehen.

Die Ukraine und der Westen erkennen das Referendum nicht an. Sie halten die Abstimmung für einen Bruch des Völkerrechts. Russland will der Aufnahme der Halbinsel im Schwarzen Meer ungeachtet von Sanktionsdrohungen des Westens zustimmen.

Wechselvolle Geschichte

Die Autonome Republik Krim ist bisher Teil der Ex-Sowjetrepublik Ukraine. 1954 war sie von Kremlchef Nikita Chruschtschow dem Land zugeordnet worden. Moskau betont das Selbstbestimmungsrecht der mehrheitlich russischstämmigen Krim-Bevölkerung. Die Krim-Stadt Sewastopol ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.

Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol (Foto: Ulf Mauder/dpa)
Die russische Schwarzmeerflotte ist im Hafen der Krim-Stadt Sewastopol stationiertBild: picture-alliance/dpa

Bis Ende des 19. Jahrhunderts bestand die Mehrheit der Bevölkerung aus muslimischen Krim-Tataren und zu kleineren Teilen aus Russen und Ukrainern. Stalin ließ den größten Teil der Krim-Tataren nach Zentralasien deportieren und durch Russen ersetzen. Erst nach der politischen Wende in den 1980er Jahren kehrten einige von ihnen zurück. Ihr Anteil der Bevölkerung lag Anfang der 2000er Jahre bei etwa 12 Prozent. Der Anteil der Ukrainer liegt bei etwa 25 Prozent.

Infografik Autonome Republik Krim Deutsch