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Regierende Linkskoalition in Polen zerbrochen

4. März 2003

- Warschau will unbeirrt am EU-Kurs festhalten

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Köln, 4.3.2003, PAP, POLNISCHER RUNDFUNK

PAP, poln., 3.3.2003

Der Vorsitzende der PSL (Polnische Bauernpartei - MD) Jaroslaw Kalinowski erklärte, die Partei verlasse erhobenen Hauptes und ohne Scham die Koalition, da sie ihr wichtigstes Ziel erreicht hat - den Bauern die besten EU-Beitrittsbedingungen zu sichern. Das Maut-Gesetz sei nur ein Vorwand für die Beendigung der Koalition mit der SLD (Bündnis der Demokratischen Linken - MD) gewesen. (...) Der "Entschlossenheit der PSL" sei es unter anderem zu verdanken, dass wir unter den Beitrittskandidaten die besten Bedingungen hinsichtlich des Handels mit Grund und Boden haben (...). "Manchmal war es für mich einfacher, in Warschau zu verhandeln als in Brüssel", sagte Kalinowski.

Der PSL-Vorsitzende erklärte, die Minister der PSL hätten sich mit ihrem Eid verpflichtet, das Wohl des Staates und das Wohlergehen der Bürger als ihr übergeordnetes Gebot zu betrachten. Auf den Grund des Streites innerhalb der Koalition, den Entwurf des Mautgesetzes eingehend, gegen den die PSL stimmte, sagte Kalinowski, die PSL habe nach anderen Wegen suchen wollen, Mittel für den Bau von Straßen zu finden. "Ob es dem staatlichen Interesse entspricht, auf dem Brennstoffmarkt eine so riesige Grauzone zu tolerieren?" Nein", sagte er.

Unvereinbar mit den Interessen der Bürger seien nach Ansicht der Partei auch neue Steuerlasten. Auf die Frage, ob die PSL einen Misstrauensantrag gegen den Vizepremier und Infrastruktur-Minister Marek Pol unterstützen würde, sollte einer gestellt werden, antwortete er, "die Partei wird einen solchen Antrag sehr genau prüfen". Jetzt seien Entscheidungen erforderlich, die das Vertrauen der Bevölkerungsmehrheit in die Arbeit der Regierung "auch angesichts des bevorstehenden Referendums" wieder herstellen. Es muss gesetzliche Garantien für die direkten Subventionen nach dem EU-Beitritt geben. Bereits in diesem Jahr, im Herbst, sollten die Landwirte Teilzuschüsse erhalten, "um das Subventionierungssystem zu testen". Verabschiedet werden müsse auch ein Gesetz über den Agrarsektor.

"Es kann nicht sein, dass wir ohne eigene Regulierung des Marktes mit Biobrennstoffen in das nächste Jahr gehen", unterstrich der PSL-Chef. All diese Entscheidungen könnten zu einem positiven Ausgang des Beitrittsreferendums führen.

Der bisherige Umweltminister Stanislaw Zeromski teilte mit, dass die Partei auch weiterhin über das Pro und das Contra eines Beitritts Polens zur EU informieren werde. (TS)

PAP, poln., 3.3.2003

Koalitionen werden gebildet, um wirksam eine gemeinsame Politik umzusetzen. Nur solche Koalitionen haben einen Sinn, erklärte Premier Leszek Miller am Samstag (1.3.) im Fernsehen.

"Die Polnische Bauernpartei hat sich, indem sie in den letzten Tagen die Unterstützung für Regierungsprojekte verweigerte, außerhalb der Koalition gestellt. Es hat sich gezeigt, dass die Regierung - darunter PSL-Minister - nicht mit der Unterstützung der Abgeordneten dieser Partei rechnen können", so der Regierungschef. Man könne nicht gleichzeitig der Regierung und der Opposition angehören. "Als Premier akzeptiere ich dies nicht und kann es nicht länger tolerieren. Ich bin nicht irgendjemandes Geisel und werde es auch nicht sein", sagte Miller.

"Ich persönlich bedauere es, dass es so gekommen ist. Ich hatte alles versucht, um das zu verhindern. Die Regierung ist aber dazu da, die Probleme der Bürger und des Landes zu lösen. Sie ist nicht dazu da, sich mit inneren Streitigkeiten zu befassen. Das wäre die Fortsetzung schlechter Traditionen", sagte der Premierminister.

Premier Leszek Miller kündigte an, die von ihm geführte Regierung werde für ihre Politik die Unterstützung im Parlament und in der gesamten Gesellschaft anstreben.

In seiner Fernsehansprache am Samstag unterstrich der Premierminister, die SLD bleibe in Koalition mit der Arbeitsunion. Vor die Entscheidung gestellt, Stagnation oder Entwicklung, Arbeit oder Arbeitslosigkeit, Europa oder am Rade des Kontinents werde sich die Koalition stets für Entwicklung, Arbeit sowie vollberechtigte und vorteilhafte Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union entscheiden. "So verstehen wir das nationale Interesse und die polnische Staatsräson. Für eine solche Politik wird die von mir geleitete Regierung die Unterstützung im Parlament und in der ganzen Gesellschaft anstreben, sagte Miller. Die Polen erwarten Stabilität und Voraussehbarkeit. "Ich denke, im Parlament werden sich Partner finden, für die diese Werte ebenso teuer und wichtig sind." (TS)

PAP, poln., 3.3.2003

Adam Tanski übernimmt von Jaroslaw Kalinowski das Amt des Ministers für Landwirtschaft und Entwicklung auf dem Lande, Czeslaw Sleziak übernimmt das Umweltministerium, teilte Premier Leszek Miller mit.

Der Regierungschef beschloss am Samstag, beim Präsidenten die Abberufung der PSL-Minister zu beantragen. Der unmittelbare Grund des Zusammenbruchs der Koalition war die Weigerung der PSL-Abgeordneten, die geplante Einführung der Maut durch die Regierung zu unterstützen. (TS)

POLNISCHER RUNDFUNK1, poln., 3.3.2003, 1800 GMT

Adam Tanski ist zum neuen Landwirtschaftsminister und Czeslaw Slezak zum neuen Umweltminister ernannt worden. Adam Tanski übernimmt den Posten von Jaroslaw Kalinowski, Czeslaw Slezak wird Nachfolger von Stanislaw Zelichowski. Zu den Regierungsänderungen kam es nachdem die Koalition aus Bündnis der Demokratischen Linken (SLD - MD), Arbeitsunion (UP - MD) und Polnische Bauernpartei (PSL) zusammengebrochen war.

Am Nachmittag ernannte Präsident Aleksander Kwasniewski auf Antrag des Premierministers neue Minister. Der Präsident dankte den PSL-Ministern, insbesondere Jaroslaw Kalinowski, für ihren Beitrag zu den Verhandlungen mit der Europäischen Union.

Aleksander Kwasniewski versicherte die Regierung seiner Unterstützung in diesem "für Polen, Europa und die Welt schwierigen Moment", wie er es nannte. (...)

Premierminister Leszek Miller erklärte auf einer Pressekonferenz, die bisherigen Prioritäten der Regierung würden gewahrt bleiben.

(Einblendung Miller) "Unsere vorrangige Aufgabe ist es, zu günstigen Bedingungen der Europäischen Union beizutreten und die EU-Hilfe wirksam zu nutzen. Die zweite Aufgabe ist wirtschaftliches Wachstum, damit wir Rezession und Arbeitslosigkeit effizient bekämpfen können. Aufgabe Nummer drei ist die Spezialisierung in Bereichen, die zu Polens Trumpfkarte werden können - ich meine vor allem die polnische Kultur und die Wissenschaft. Und die letzte Aufgabe schließlich bezieht sich auf künftige Perspektiven für neue Generationen, gleiche Möglichkeiten für deren Entwicklung."

Der Premierminister betonte, dass die Politik seiner Regierung im Hinblick auf Polens EU-Beitritt unverändert bleiben werde.

(Einblendung Miller) "Ich bin auch völlig davon überzeugt, dass für die überwiegende Mehrheit der Polen die Frage des Beitritts Polens in die Europäische Union viel wichtiger ist als die Zusammensetzung eines Kabinetts. Daher werden die Veränderungen keinen Einfluss darauf haben, wie die Bürger der Republik Polen bei dem Referendum (über den EU-Beitritt - MD) abstimmen werden... (TS)

PAP, engl., 4.3.2003

Die erste Herausforderung, der sich der neu ernannte Landwirtschaftsminister Adam Tanski stellen will, ist unter anderem die Wiederherstellung einer friedlichen Atmosphäre in der Landwirtschaft sowie die Vorbereitung der Landwirte auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Tanski erklärte am Montag vor Journalisten, die Lage in der Landwirtschaft sei stets schwierig gewesen, nunmehr sei sie aber extrem schwierig.

Czeslaw Slezak, der neue Umweltminister, sagte, er werde sich von der Philosophie einer dauerhaften Entwicklung leiten lassen und betonte, ein Zloty, der für umweltbewusste Erziehung ausgegeben werde, bringe relativ schnell Gewinne. "Ich möchte, dass an den Umweltschutz herangegangen wird wie an ein sozioökonomisches Problem", erklärte er. (TS)