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Kosovo-Perspektiven

15. Januar 2009

Johanna Deimel, Balkan-Expertin, die für das Internationale Zivilbüro in Kosovo arbeitete, spricht im DW-Interview ein Jahr nach der Unabhängigkeit von Serbien über die Schwierigkeiten Kosovos bei der Staatsbildung.

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Bild: DW

DW-Albanisch: Frau Deimel, wenn Olli Rehn sagt, das Jahr 2009 wird das „Jahr des Westlichen Balkan“ sein, gilt das auch für Kosovo?

Johanna Deimel: Das gilt natürlich auch für Serbien und Kosovo. Aber es wird für Kosovo trotzdem schwierig, weil die internationalen Organisationen sich noch in einem Verortungsprozess befinden. Die entsprechenden Zuständigkeitsbereiche müssen definiert und auch organisiert werden. Das ist schwierig für das Kosovo, den jungen Staat, der gleichzeitig seine eigene Staatlichkeit unter Beweis stellen muss. Dafür wird die Regierung des Kosovo jede Unterstützung der EU erfahren, und zwar durch die EULEX-Mission, aber auch durch das Internationale Zivilbüro (ICO) und den Sonderbeauftragten der EU. Insofern ist das Kosovo natürlich ein Bestandteil des „Jahres des westlichen Balkan“.

Welche Rolle spielt Serbien in diesem Zusammenhang?

Aus den diplomatischen Störfeuern, die kontinuierlich und konsequent aus Belgrad kommen, ergeben sich Schwierigkeiten: Die Anerkennungen der Institutionen des Kosovo werden schwieriger, weil sich Staaten zunehmend überlegen werden, ob sie die Staatlichkeit des Kosovo anerkennen werden. Das gilt insbesondere, solange Verfahren vor dem internationalen Gerichtshof anhängig sind. Insofern fährt Belgrad eine sehr geschickte Taktik, die im weltweiten Umfeld für Verunsicherung sorgt. Dies kann sich auch auf die Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen auswirken. Insofern spielt Serbien sehr geschickt die diplomatische Karte bei seinem Versuch, die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeit des Kosovo in Frage zu stellen. Das bringt Verwerfungen mit sich, mit denen die junge Regierung, der junge Staat umgehen muss.

Die EU ist immer noch nicht einig bezüglich des Kosovo. Kann sich die Situation in diesem Jahr verbessern?

Gerade Tschechien, das sich den Balkan als eine der Prioritäten seiner Ratspräsidentschaft gesetzt hat, aber auch Schweden mit der großen Balkanerfahrung, die Carl Bildt mitbringt, könnten ein gutes Momentum geben, um auf diesem Weg weiterzukommen. Die nachfolgende Präsidentschaft ist die spanische. Spanien hingegen hat große Probleme mit der Anerkennung und wird dies nach derzeitiger Sachlage auch nicht tun. Das bringt auch den großen Konflikt wieder in die EU hinein, wenn dann ein Land die Ratspräsidentschaft übernimmt, das Kosovo nicht anerkannt hat.

Welche Herausforderung sehen Sie hier für die kosovarische Regierung?

Das Kosovo muss sich als eigenständiger und auch als verantwortlicher Staat beweisen. Dabei geht es dann nicht mehr darum, mit Blick auf internationale Interventionen oder internationale Proteges zu agieren und die Schuld auf diese abzuwälzen. Kosovo muss „Ownership“ übernehmen und Verantwortung zeigen. Von außen kann die EU das nur unterstützen. Man kann Kosovo nur ermutigen, auf diesem Wege voranzuschreiten und den Ahtisaari-Plan auch wirklich umzusetzen. Das gleiche gilt auch für Serbien. Serbien hat die Unterstützung der EU, dass es verstärkt in die Integrationsprozesse aufgenommen wird. Aber auch hier gibt es Anforderungen, die Serbien erfüllen muss. Mann kann dabei nur bis zu einem bestimmten Punkt, dem Land entgegen kommen. Danach muss man warten, dass der andere Partner einem ebenso weit entgegenkommt.

Wie könnte die Integration der Serben in Kosovo gefördert werden?

Kosovo hat von der Unabhängigkeitserklärung bis hin zur Umsetzung der Verfassung große Schritte getan. Das war auch notwendig, und dazu hatte sich die Regierung des Kosovo auch verpflichtet. Ich glaube, dass es jetzt für die Regierung sehr wichtig ist, aktiv und konstruktiv auf die serbische Minderheit zuzugehen. Sich mit den Problemen der Kosovo-Serben intensiv und verantwortungsvoll zu befassen, hat die kosovoarische Regierung meines Erachtens bislang völlig versäumt. Es geht zum Beispiel um solche Dinge: Wenn Ministerpräsident Thaci das Wort an die Bevölkerung richtet, sei es öffentlich oder im Parlament, dann wären ein paar Worte auf Serbisch sicher eine gute Geste. Symbole zählen. Man kann nicht erwarten, dass die Serben im Kosovo plötzlich Vertrauen in die Regierung gewinnen, sondern das muss erarbeitet werden. Es ist auch wichtig, wie man die Hilfe kanalisiert. Es ist zum Beispiel kontraproduktiv, die Hilfen an die wenigen Albaner im Norden von Mitrovica zu geben, aber nicht für die Serben dort zu sorgen. Die Mittel, die von der Geberkonferenz zur Verfügung gestellt werden, müssen meines Erachtens ganz gezielt in Richtung der Kosovo-Serben gehen. Dass es zunehmend eine Bereitschaft der Kosovo-Serben gibt, mit den Albanern zusammenzuarbeiten, zeigen einerseits Umfragen, aber auch Ergebnisse einer Forschungsreise, die die serbische Menschenrechtlerin Sonja Biserko vor einigen Monaten im Kosovo gemacht hat. Sie hat ein Büro in Pristina aufgemacht, das als Verbindungsbüro für die Kosovo-Serben agieren soll.

Das Interview führte Anila Shuka