Regierungsumbildung
17. April 2008Bulgarien wurde in den letzten Jahren von einer Reihe von Skandalen heimgesucht, die zumeist nach relativ kurzer Zeit unter den Teppich gekehrt wurden und in Vergessenheit gerieten. Doch der außen- und innenpolitische Druck auf das Innenministerium wurde in der letzten Zeit so massiv, dass die Regierungskoalition von Sozialisten, der Partei der türkischen Minderheit (DPS) und der Partei des Ex-Königs Sachskoburggotski (NDSW) Gefahr lief, die Macht zu verlieren. Nach dem Bekanntwerden zweier Auftragsmorde zieht die bulgarische Regierung Konsequenzen.
Neuer Vizepremier für EU-Gelder-Kontrolle
Der sozialistische Ministerpräsident reagierte jetzt mit personellen und strukturellen Veränderungen in seinem Kabinett. Gleich acht Ministerposten sollen neu besetzt werden. Außerdem soll ein neuer Vizepremier für die Kontrolle über die Verteilung der EU-Gelder zuständig sein. Anfang März hatte Brüssel Finanzmittel für Bulgarien in Millionenhöhe wegen Korruption und Misswirtschaft in 25 Fällen eingefroren.
Die Kabinettsumbildung könnte der Regierungskoalition in Bulgarien ermöglichen, bis Ende ihres Mandates im Herbst 2009 an der Macht zu bleiben, meint Sonja Schüler, stellvertretende Leiterin der Südosteuropa Gesellschaft. Die Frage sei jedoch, ob dies ein ernsthafter Versuch werde, die tief reichenden Wurzeln der organisierten Kriminalität auszurotten. Schüler ist skeptisch angesichts der mafiösen Netzwerke, die überall wirken: auf Geschäftsabwicklungen, Gesetzgebungsverfahren, Privatisierungsprozesse und die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Posten. "Der Aufbruch dieses Teufelskreises und die Einleitung struktureller Reformen wird sehr schwierig werden", warnt die Politologin.
Warnungen gegen Geschenke
Ausgerechnet das Innenministerium, dessen allerwichtigste Priorität die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität in Bulgarien sein sollte, erwies sich als ein Hort dubioser Geschäfte. Zunächst stellte sich heraus, dass die Unterwelt-Bosse immer wieder von Polizei-Razzien gewarnt wurden. Und zwar von dem stellvertretenden Chef der Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Innenministerium, Ivan Ivanov. Bei einem Lauschangriff konnte man hören, welche Geschenke der hochrangige Beamte sich von seinen Freunden wünschte. Im Innenausschuss des bulgarischen Parlaments wurde ferner bekannt, dass weitere Mitwisser und Mafia-Helfer auf höchster Ebene im Innenministerium zu finden waren.
Innenminister Rumen Petkow galt als Geldbeschaffer für die ex-kommunistische und heute regierende sozialistische Partei. Der Skandal erreichte seinen Höhepunkt, als Petkow nach wochenlangen Dementis und Zögern zugeben musste, sich mit Geschäftsleuten getroffen zu haben, gegen die die bulgarischen Behörden ermitteln. Petkows Erklärung, diese Treffen seien produktiv und keineswegs eine verwerfliche Praxis, führten zur Empörung unter der bulgarischen Bevölkerung und kostete ihn nun am Sonntag (13.4.2008) das Amt.
Die EU hatte bereits im März gewarnt
Erst Ende März hatte der Präsident der EU-Kommission Jose Manuel Barroso bei seinem Besuch in Sofia den Standpunkt der Gemeinschaft klar gemacht: "Weit fortgeschrittene Korruption und Kriminalität haben keinen Platz in der EU und können von uns nicht toleriert werden." Doch die Warnung blieb folgenlos. Nur ein paar Tage später wurden in Sofia wieder zwei Auftragsmorde verübt. Erschossen wurden: ein Schriftsteller, der über die Mafia geschrieben hatte und bereit war, gegen einen ihrer Bosse auszusagen und der Geschäftsführer einer Firma, die für die Wartung des Atomkraftwerkes Kosloduj zuständig ist.
Der Politikwissenschaftler Heinz Brahm nimmt an, die EU habe sich nicht vorstellen können, was in Bulgarien passiere. "Man muss heute sagen, dass die Kommission beide Augen zugedrückt hat." Im Juni erscheint der nächste Monitoring-Bericht der EU-Kommission, in dem Verbrechensbekämpfung und organisierte Kriminalität in Bulgarien erneut unter die Lupe genommen werden. Dann wird sich zeigen, ob das umstrukturierte Kabinett erfolgreich war im Kampf gegen die Korruption.