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Regimewechsel in Usbekistan ist denkbar

Die Fragen stellt Irina Frolowa 18. Mai 2005

Ausländische Diplomaten sind in die usbekische Unruhestadt Andischan gereist und versuchen, sich einen Überblick zu verschaffen. DW-WORLD sprach mit dem Osteuropa-Experten Klaus Segbers über die derzeitige Lage im Land.

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Militär gehört mittlerweile zum Straßenbild in AndischanBild: AP

DW-WORLD: Herr Segbers, wie schätzen Sie die Ereignisse in Usbekistan ein?

Klaus Segbers: Es handelt sich offenbar um ein Gemisch von Unzufriedenheiten: Es gibt Demokratieanhänger, es gibt Armutsbetroffene, Familienangehörige von Inhaftierten, es gibt auch Jihadisten und Rauschgiftstrukturen. All diese Motive kulminieren anscheinend in den Demonstrationen, die wir gesehen haben und wohl auch wieder sehen werden.

Die Behauptungen des Karimov-Regimes, es gehe nur um islamische Fundamentalisten und um ausländische Agitatoren, ist unglaubwürdig. Westliche Darlegungen, es gehe nur um Demokratiefreunde, greifen wohl aber auch zu kurz. Diese Melange aus Interessen und Gruppen, die wir vor uns haben, macht Einschätzungen, aber auch die Erarbeitung adäquater und wirksamer politische Strategien sehr schwierig.

Könnte es in Usbekistan zu einer "bunten Revolution" kommen?

Es ist möglich, dass es auch hier über kurz oder lang zu einem Regimewechsel kommt, der außerkonstitutionell - also von der Straße her getrieben - erfolgt. Auch wenn es so scheint, als seien die Ressourcen des Karimov-Regimes weniger erschöpft, als das in der Ukraine und Kirgisien der Fall war.

Wie schätzen Sie die Haltung der USA, Russlands und der islamischen Welt zu den Unruhen in Usbekistan ein?

Die USA sind an einer stabilen Situation interessiert. Sie haben dort Militäranlagen und brauchen Usbekistan als Partner in der Allianz gegen den Terrorismus. Russische Eliten empfinden teilweise Einkreisungssorgen. Nach den Vorgängen in Serbien, Ukraine, Kirgisien mag einem weiterem GUS-Land einen Regimewechsel bevorstehend, der sich russischer Einflussnahme entzieht. Das vor allem löst dort Unruhe aus. Der usbekische Rückzug aus dem Staatsbund GUUAM (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldawien - Anm. d. Red.) unterstreicht die Sorge der usbekischen Führung, in einen Reformstrudel hineinzugeraten, den sie nicht mehr steuern kann.

Trauen Sie sich eine Prognose der weiteren Entwicklung in Usbekistan zu?

Kaum. Hier sind zu viele Variablen im Spiel. Und Wissenschaftler sollten sch mit vorhersagen zurückhalten. Man wird aber sagen könne, dass die autokratischen Regime in Mittelasien über kurz oder lang Regimewechsel erfahren werden. Es kommt dann darauf an, zwischen demokratischen und islamistischen Optionen zu jonglieren. Keine leichte Aufgabe.

Klaus Segbers ist Professor für Politikwissenschaft am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin