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Reiche Städte, arme Städte

Martin Koch23. April 2013

Deutschland hat im vergangenen Jahr als einziges EU-Land einen Haushaltsüberschuss erzielt. Dennoch klagen viele deutsche Städte über leere Kassen. Nach Ansicht von Experten droht eine gefährliche Schieflage.

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Brunnen vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität in München - Foto: Andreas Gebert (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wo viel ist, kommt viel zu" - diese Volksweisheit stimmt auch für die Finanzsituation deutscher Städte: Während die pulsierenden Metropolen wie Hamburg, Frankfurt oder München wirtschaftlich immer stärker und damit attraktiver werden, leiden zahlreiche Städte im Ruhrgebiet und anderswo unter immer größer werdender Geldnot - beispielsweise Oberhausen, Duisburg und Gelsenkirchen. Kindergärten werden geschlossen, in Schulen setzt sich Schimmel fest, Kultureinrichtungen müssen dichtgemacht werden.

Zwar hat sich dank der stabilen Konjunktur die Situation in den vergangenen Jahren in einigen Regionen etwas gebessert, doch die deutschen Städte werden trotzdem mehr und mehr zu einer Zweiklassengesellschaft, beklagt Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg und designierter Präsident des Deutschen Städtetages: "Wir beobachten, dass die Schere zwischen armen und reicheren Städten trotz guter Wirtschaftsdaten immer weiter auseinandergeht."

Ein Problem - viele Ursachen

Neben regionalen Gegebenheiten, die zu ungleichen Ausgangsbedingungen für die Städte führen, gibt es weitere Gründe, die den Kommunen durch die Politik auferlegt werden, sagt Ulrich Maly: " Kommunale Haushalte werden durch die schiere Größe der Sozialetats enorm belastet, besonders einige Ruhrgebietsstädte."

Die immer wieder geäußerte Angst vor "griechischen Verhältnissen", also vor einem kompletten Bankrott der Städte, ist trotzdem unbegründet, beruhigt Stefan Schneider vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu) in Berlin: "So etwas ist bei uns nicht möglich. Wenn eine Stadt ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, dann muss das Bundesland eintreten." Auf Grundlage dieser Sicherheit haben viele Städte Geld aufgenommen, das sie nach ihrer Wirtschaftskraft niemals hätten bekommen dürfen. Und manche ächzen jetzt unter den Folgen gigantischer Kredite mit Volumen von zum Teil mehr als einer Milliarde Euro, die sie aus eigener Kraft nie wieder zurückzahlen könnten.

Stefan Schneider, Deutsches Institut für Urbanistik - Foto: David Ausserhofer (ausserhofer.de)
Stefan Schneider: "Städte können nicht pleite gehen"Bild: David Ausserhofer

Gemeinschaftliche Lösungen

Den Vorwurf, die Kommunen würden nur wenig zum Schuldenabbau beitragen, lässt Nürnbergs Oberbürgermeister Maly nicht gelten. Die Städte seien die Verwaltungsebene, die im Vergleich zu Bund und Ländern in den vergangenen zwanzig Jahren am meisten eingespart habe. Außerdem bräuchten sie eine stabile Einnahmebasis, zum Beispiel durch die Gewerbesteuer, so Maly und bräuchten mehr staatliche Unterstützung: "Wir müssen entlastet werden von explosionsartig steigenden Sozialkosten, zum Beispiel bei der Eingliederungshilfe für Behinderte, das zahlen die Kommunen, es ist aber eine staatliche Aufgabe. Und wir brauchen Hilfe bei großen Investitionen wie jetzt dem Rechtsanspruch auf Krippenplätze, da muss Geld fließen von Bund und Ländern, denn große Themen bedürfen einer gemeinschaftlichen Finanzierung."

Eher selten sind es unsinnige Prestige-Objekte geltungssüchtiger Bürgermeister, die eine Stadt in den finanziellen Ruin treiben. Wenn der Rotstift regiert, müssen bei Sparbemühungen nahezu alle städtischen Einrichtungen und Angebote auf den Prüfstand.

Ulrich Maly, Nürnberger Oberbürgermeister und designierter Präsident des Deutschen Städtetags - Foto: Daniel Karmann (dpa)
Ulrich Maly: "Die Schere zwischen armen und reichen Städten geht weiter auseinander"Bild: picture-alliance/dpa

Vielerorts reagiert die Bevölkerung entsetzt auf das drohende Aus für Bücherhallen, Theater oder Schwimmbäder. Doch genau diese Empörung könnten sich die Verantwortlichen im Sinne einer gemeinschaftlichen Lösungsansatzes zunutze machen, meint difu-Experte Schneider: "Auch das ist ja ein Prozess, durch den bestimmte Prioritäten gesetzt werden, und wenn die Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, eine bestimmte Einrichtung muss auf jeden Fall trotz aller Sparbemühungen erhalten bleiben und die gehen dafür sogar auf die Straße, dann ist es unter Umständen ja auch wiederum eine Möglichkeit, sie an der weiteren Finanzierung anders zu beteiligen als bisher." In anderen Ländern sei dies schon viel weiter verbreitet, so Schneider. Hierzulande müssten viele Stadtverwaltungen sich erst noch mit dem Ansatz anfreunden und erkennen, dass es mehr ist als nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nachhaltig planen

Berater wie Stefan Schneider vom Deutschen Institut für Urbanistik versuchen, Kommunen davon zu überzeugen, umzusteuern: Statt, wie bislang vielerorts immer noch praktiziert, nur von Jahr zu Jahr zu planen, sollten sie ihre finanziellen und strukturellen Vorhaben längerfristig anlegen. Dann ließe sich auch der demografische Wandel besser berücksichtigen: "Wir wissen heute, dass in Städten, in denen unbedingt Schulen gebraucht werden, dass aber in 10 bis 15 Jahren diese Schulen nicht mehr benötigt werden. Und dass man sich von vornherein Gedanken darüber macht, wie kann man diese Objekte über diesen Zeitraum hinaus nutzen."

Dazu gehöre auch, über Legislaturperioden hinaus zu denken, betont der difu-Experte. Auf lokaler Ebene seien die Voraussetzungen dafür aber schon ganz gut, betont Nürnbergs Oberbürgermeister Maly. Weil bei fast 90 Prozent aller Abstimmungen in Stadtparlamenten das Prinzip der Einstimmigkeit herrsche, seien die Voraussetzungen für wahlterminübergreifende Regelungen eigentlich ganz gut.