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1 Million Sportabzeichen

12. Mai 2009

Deutsche Kinder sind zu dick, sitzen nur noch vor dem Computer, gehen nicht mehr raus. Die Sportbegeisterung lässt nach, heißt es immer wieder. Umso erstaunlicher, dass ein sportlicher Klassiker eine Bestmarke schafft.

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Das Deutsche Sportabzeichen (Foto: DPA)
Das Deutsche SportabzeichenBild: dpa

"Ich möchte gerne sportlich bleiben", sagt die Medizinstudentin Stephanie und zieht sich die Trainingsjacke aus. Die 25-jährige Bonnerin ist zum dritten Mal dabei. Sie gehört zu den Hobbysportlerinnen und Sportlern, die im Jahre 2008 für einen neuen Rekord gesorgt haben. Erstmals haben in Deutschland mehr als eine Million Menschen das Deutsche Sportabzeichen geschafft. Die magische Zahl verkündete am Dienstag (12.05.2009) Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Mannschaftsaufstellung: Übungsleiter Kuckelmann (li.) mit seiner Sportabzeichen-Gruppe (Foto: Benjamin Wüst)
Übungsleiter Kuckelmann (links) mit seiner Sportabzeichen-GruppeBild: DW

Vom Kind bis zum Senior - alle können die Urkunde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erhalten. Seit 1913 haben das Sportabzeichen mittlerweile rund 30 Millionen Deutsche geschafft. Viele wiederholen es jedes Jahr aufs Neue. Jetzt, bei frühlingshaftem Wetter, wird wieder in ganz Deutschland geschwommen, gespurtet und gesprungen - auch im Bonner Sportpark Nord.

Purzelbaum reicht nicht

Hier hat Heinz Kuckelmann das Sagen. Er nimmt das Sportabzeichen ab - ehrenamtlich. "Für mich ist es in jedem Jahr ein Fitnesstest. Wo stehe ich? Bin ich langsamer oder schwächer geworden?", sagt er. An diesem Abend sind 15 Hobbysportler gekommen. "So, auf geht's. Wir machen uns jetzt erst einmal warm", sagt Kuckelmann und joggt locker los. Die Meute in Leggings und kurzen Hosen folgt ihm. "Heute stehen Sprungkraft und Schnelligkeit an."

Um das Deutsche Sportabzeichen zu erhalten, muss eine bestimmte Leistung, die sich nach Alter und Geschlecht richtet, in fünf sportlichen Bereichen erfüllt werden. Neben der Sprungkraft und der Schnelligkeit werden Ausdauer, Schnellkraft und Schwimmfähigkeit getestet. Auf diese Anforderungen ist DOSB-Präsident Bach stolz: "Wir heften das Sportabzeichen nicht jedem ans Revers, der einen Purzelbaum schlagen kann", betonte er bei der Verkündung des Rekords in Berlin.

Event für die ganze Familie

Stolz sind auch die Sportler in Bonn: "Es ist einfach eine schöne Sache, weil man es mit der ganzen Familie machen kann und am Ende alle eine Auszeichnung bekommen", schwärmt Christoph. Der 45-Jährige läuft neben seiner Frau Barbara und macht das Abzeichen nun schon zum dritten Mal. Die beiden Kinder - Rebecca und Nele - sprinten weit voraus.

Ein Mann kurz nach dem Absprung beim Weitsprung (Foto: Benjamin Wüst)
Eine Disziplin: Der WeitsprungBild: DW

Nach einer Stadionrunde sind die Muskeln aufgewärmt. Jetzt wird's ernst. Die Kategorie Sprungkraft steht an. Die Gruppe entscheidet sich für Weitsprung. Mittlerweile steht fest: Einfach nur zugucken und Fragen stellen ist nicht. Auch der Reporter muss in die Sandgrube. Kuckelmann greift zu seinen Unterlagen und errechnet die Anforderung aus Alter und Geschlecht. Dann steht fest: 4,50 Meter müssen es werden. So schwer wird es schon nicht sein. Sprinten, den Balken treffen, abspringen und ab in den Sand. "4,65 Meter", ruft Kuckelmann. Na, geht doch. Der erste Bereich, ein Fünftel also, ist geschafft.

Auch Barbara schafft ihre Weite. "Wir freuen uns das ganze Jahr auf diese Tage", lacht sie und streift sich den Sand von der Radlerhose. Die 44-Jährige freut sich durch das Sportabzeichen noch einmal Schuldisziplinen ausprobieren zu dürfen und wundert sich, wie wenige Menschen trotz Rekordteilnahme in ihrem Umfeld etwas mit dem Begriff "Deutsches Sportabzeichen" anfangen können. "In der Schule meiner Kinder sind wir die Ausnahme und bei mir auf der Arbeit wusste auch keiner etwas damit anzufangen."

Sportlicher Bundespräsident

Gruppe Hobbysportler dehnt sich (Foto: Benjamin Wüst)
Ganz wichtig: Das DehnenBild: DW

Mit dieser Erfahrung ist Barbara nicht allein, obwohl der Zuspruch statistisch gesehen in den letzten Jahren stets gewachsen ist, wie Alexandra Pensky vom DOSB weiß: "Seit 1997 geht es mit dem Sportabzeichen stetig bergauf. Seit 2005 waren es jedes Jahr 900.000 Absolventen."

2008 wurden nun sogar eine Millionen Sportabzeichen vergeben. Die Zahl trügt allerdings etwas, denn die Mehrzahl der Absolventen sind, wie Christoph, Barbara und Stephanie, Wiederholer. "Bei den Erwachsenen sind ungefähr Zweidrittel Wiederholer, bei den Jugendlichen ungefähr die Hälfte", sagt Pensky.

Die prominentesten Sportabzeichen-Besitzer sind Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva-Luise. "Wir legen das Sportabzeichen seit Jahren ab. Das Sportabzeichen ist wichtig und ich will es gerne unterstützen", sagte Köhler in Berlin.

1000 Meter in 3:50 Minuten

Im Bonner Sportpark Nord ist der Bereich Sprungkraft geschafft. Jetzt geht's an die Sprintdisziplinen. Die Gruppe entscheidet sich für den 1000-Meter-Lauf. "Für sie heißt das 3:50 Minuten", ruft Kuckelmann. Schon nach einer Stadionrunde geht mir die Puste aus. Nach zweieinhalb Runden bin ich im Ziel. Der Blick auf die Stoppuhr: 3:52 Minuten. Das darf nicht wahr sein. Ich muss also noch einmal ran. Mal ebenso schafft man es eben nicht, das Deutsche Sportabzeichen.

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Kay-Alexander Scholz