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Rentner als Berufsberater

20. Juli 2010

Ruhestand – und dann? Mit dem Projekt "Schule und Beruf" haben rund 45 Rentner eine Antwort darauf gefunden. Mit ihrer Berufserfahrung unterstützen sie Jugendliche bei der Berufswahl.

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Ein älterer Herr streicht eienn Stützpfeiler, im Hintergrund sitzt ein Mädchen auf einer Leiter (Foto: Sonja Gillert)
Harald Töpfer streicht mit Schülern den Eingang der SchuleBild: Sonja Gillert

Auf dem Schulhof der Realschule Bockum-Hövel bei Hamm wird gesägt, geschliffen und angestrichen. Für die Schüler ist das eher eine ungewohnte Aufgabe, für die sechs Rentner in Arbeitskleidung nicht. Sie sind alle gelernte Handwerker. Als ehrenamtliche Mitglieder des Projektes "Schule und Beruf" wollen sie im Rahmen der Projektwoche der Realschule nicht nur den Schulhof verschönern, berichtet Rentner Manfred Brandt, der gelernter Schlosser ist: "Da sind welche bei, die haben noch keinen Schlüssel, noch keine Bohrmaschine in der Hand gehabt und so sehen sie mal, was man alles machen kann."

"Schule und Beruf" zielt darauf ab, dass die Schüler mit Hilfe des Expertenwissens der Ruheständler einen Einblick in verschiedene Berufsfelder bekommen und ihre Fähigkeiten testen können. Schon seit dem Jahr 2006 ermöglichen rund 45 Ruheständler durch praktische Aktionen wie an der Realschule Bockum-Hövel, aber auch durch Werksführungen in ihren früheren Betrieben, Jugendlichen einen Einblick in verschiedene Berufe. Außerdem geben ein ehemaliger Personalchef und ein früherer Ausbildungsleiter ihr Wissen im Bewerbungstraining weiter.

Berufsexperten eröffnen neue Möglichkeiten

Helga Günther, die Schulleiterin der Realschule Bockum-Hövel, beobachtet, dass die Projekte mit den "Experten" bei den Jugendlichen viel Eindruck hinterlassen: "Weil das eben externe Leute sind, die in der Wirtschaft waren, nehmen sie denen auch ab, was sie sagen." Ohne das Projekt können die Schüler nur in einem Betriebspraktikum einen Beruf ausprobieren. Bei einem Projekt wie diesem, können die Schüler jedoch weitere Berufe kennenlernen. Das findet auch die 15-jährige Demi, die mit Hilfe von Harald Töpfer den Eingang der Schule anstreicht: "Ich finde es gut, dass man mal was ganz anderes kennenlernt, auch in der Schule."

Udo Tüer und Wilhelm Langwick geben Tipps beim Anstreichen (Foto: Sonja Gillert)
Udo Tüer und Wilhelm Langwick geben Tipps beim AnstreichenBild: Sonja Gillert


Harald Töpfer, der jahrelang als Schlosser gearbeitet hat, möchte den Jugendlichen auch deswegen Unterstützung bieten, weil er noch aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es ist, den richtigen Beruf zu finden: "Erst wollte ich Autoschlosser werden, das war mir zu dreckig und dann bin ich halt Heizungsbauer geworden."

Ausprobieren weckt Interesse

Für den 16-jährigen Tim ist das handwerkliche Arbeiten etwas Neues. Zusammen mit Udo Tüer, der gelernter Betriebsschlosser ist, fügt mit dem Akkuschrauber hölzerne Blumenkübel zusammen. "Vorher hatte ich eigentlich nicht so Interesse, aber wenn man das mal macht, ist das schon ziemlich spaßig", erzählt er. Er könnte sich sogar vorstellen, so etwas später beruflich zu machen. Vorher will er allerdings sein Abitur absolvieren.

Auch für die Schüler, die schon wissen, was sie einmal werden möchten, sei das Projekt ein Zugewinn, meint Helga Günther: "Weil die Jugendlichen da auch sehr gut ihre Teamfähigkeit ausbauen können."

Vorurteile abgebaut

Die Ruheständler seien anfangs allerdings ein wenig skeptisch gewesen, ob die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen wirklich funktionieren würde, erinnert sich die Projektkoordinatorin Christiana Lütkes: "Aber als die ersten dann gute Erfahrungen gemacht haben, kamen die anderen nach. Und jetzt heißt es: Wir haben unsere Vorurteile zur Zusammenarbeit mit Jugendlichen revidieren müssen." Christiana Lütkes organisiert die Kooperation zwischen Schulen und den ehrenamtlichen Helfern. Das Interesse daran ist von Seiten der Schulen so groß, dass man noch mehr "Experten" zur Unterstützung gebrauchen könne.

Autorin: Sonja Gillert
Redaktion: Dеnnis Stutе