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Politik

"Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit"

Daniel Heinrich
21. März 2018

Paukenschlag auf dem Medienmarkt: Ein Erdogan-naher Konzern kauft unter anderem die Zeitung "Hürriyet" und CNN Türk. "Ein schmerzlicher Einschnitt", so der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen im DW-Interview.

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Türkei Dogan Holding
Bild: picture-alliance/epa/T. Bozoglu

DW: Was bedeutet der Verkauf der Dogan-Gruppe für die Pressefreiheit in der Türkei? 

Christian Mihr, Deutschland-Chef von Reporter ohne Grenzen: Es ist ein Wendepunkt für die Medienlandschaft in der Türkei. Die Dogan-Gruppe, zu der unter anderen die auflagenstarke Tageszeitung "Hürriyet" und der Fernsehkanal CNN Türk gehörten, stand für unabhängigen Journalismus. Natürlich mussten sich die Journalisten auch dort tagtäglich mit Fragen der Zensur und Selbstzensur auseinandersetzen und sind auch oft genug an den roten Linien gestoppt worden. Dennoch haben wir die Dogan-Gruppe als kommerzielles, unabhängiges Medium betrachtet. Dieser Verkauf wird vor allem auch deswegen ein Einschnitt sein, weil die letzten unabhängigen Zeitungen wie "Cumhuriyet", "Evrensel" und "BirGün" zusammen eine lächerliche Auflage von nur rund 45.000 haben - da lag die Dogan-Gruppe weit darüber. Vor allem aber fürchte ich das Schlimmste, weil die Dogan-Gruppe nicht an irgendjemanden, sondern an die Demirören-Gruppe verkauft wurde, die der Regierung sehr nahe steht.

War es das mit der Pressefreiheit?

Ich würde die Pressefreiheit in der Türkei schon deswegen nicht für tot erklären, weil es immer noch Kollegen gibt, die sich jeden Tag für diese einsetzen und versuchen, nach diesen Maßstäben zu leben und zu arbeiten. Ich denke an die Kollegen bei "Cumhuriyet", "BirGün", "Evrensel", bei unabhängigen Onlineportalen wie "Diken" oder "Bianet". Diesen Kollegen müssen wir den Rücken stärken. Es ist dennoch ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit.

Lassen Sie uns auf die Gruppe blicken, die Dogan gekauft hat. Was erwarten Sie sich von der Demirören-Holding?

Christian Mihr Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen
Christian Mihr: Täglich Zensur und SelbstzensurBild: DW/S. Padori-Klenke

Ich lasse mich gerne überraschen, aber eigentlich erwarte ich, dass die Berichterstattung, wie bei anderen großen regierungsnahen Medien in der Türkei, auf Linie sein wird. Das bedeutet, dass sie ganz und gar unkritisch über aktuelle Entwicklungen in der Türkei berichten und dass sie unkritisch über die Regierungspolitik berichten. Aktuell schließt das unter anderem den türkischen Einmarsch in Afrin, die dramatische Situation der Menschenrechte und die Masseninhaftierungen ein.

Reporter ohne Grenzen listet die Türkei auf Rang 155 von 180 Ländern auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit. Wohin soll das noch hinführen?

Das ist in der Tat schon eine sehr niedrige Platzierung. Wir werden Ende April unsere Rangliste der Pressefreiheit wieder vorstellen, und ich fürchte, ein solcher Einschnitt wird keine Verbesserung mit sich bringen. Wir haben vor zwei Jahren für die Türkei einen "Media Ownership Monitor" veröffentlicht. Dort haben wir die Medienbesitzstrukturen sehr genau untersucht und schon damals eine sehr problematische Verflechtung von Medienpolitik und Wirtschaftsverflechtungen festgestellt.

Christian Mihr ist der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland

Das Gespräch führte Daniel Heinrich