Retro-Welle im TV
31. Juli 2012Über die Fernsehschirme schwappt eine regelrechte Retrowelle. In den USA haben die Produzenten in diesem Jahr die Kultserie "Dallas" aus der Versenkung geholt und frisch aufpoliert. Aber auch die Krimiserie "Hawaii Five-0", die schon von 1968 bis 1980 lief, erlebt seit 2010 eine Neuauflage. Und in Großbritannien schmiedet man an einer Weiterentwicklung des Klassikers "Das Haus am Eaton Place". Bewährtes in neuen Gewändern hat aber auch im deutschen Fernsehen Konjunktur. Und zwar auf dem Unterhaltungssektor.
Klassiker im neuen Format
Gleich drei Show-Formate feiern auf deutschen Mattscheiben eine Wiederauferstehung. Den Anfang machte "Dalli Dalli". Ein Fragespiel für Schnelldenker, das Hans Rosenthal Anfang der 70er Jahre für den Sender ZDF entwickelte. Mit nachhaltigem Quotenerfolg. Dieses Fragespiel, in dem jeweils zwei Prominenten-Teams gegeneinander spielen und gegen die Uhr Aufgaben lösen müssen, erwies sich als Dauerquotengarant. Von 1971 bis 1986 präsentierte Hans Rosenthal, einer der deutschen Showmaster-Ikonen, dieses Format. Unvergessen bis heute sein legendärer Luftsprung, wenn die Kandidaten besonders viele Punkte erzielten.
Vor einem Jahr hat Kai Pflaume, ein heute beim Publikum beliebter Moderator verschiedener Sendungen, das Erbe von Hans Rosenthal angetreten. Mit Erfolg. Das Konzept der Sendung, einschließlich sämtlicher Spielelemente des Urformats, kommt an.
Unverwüstliches Konzept?
Sucht man nach einer Antwort für diese erfolgreiche Neuauflage, dann lautet eine: die Idee dieser Show, die auf Schlagfertigkeit, Schnelligkeit und Witz basiert, ist unverwüstlich. In der Präsentation ähnelt Moderator Kai Pflaume außerdem Hans Rosenthal. Auch er verzichtet nicht auf den kultigen Luftsprung, ohne aber das Original Rosenthal zu kopieren.
Der Schluss, dass bei einer zahlenmäßig immer größer werdenden alten Generation in Deutschland offenbar eine Fernseh-Sehnsucht nach Unterhaltungssendungen aus ihrer Jugend besteht, ist zumindest nicht von der Hand zu weisen. Auch nicht für Ulrich Spies vom Grimme-Institut, das alljährlich die begehrtesten deutschen Fernsehpreise verleiht. Retro, sagt Ulrich Spies, habe augenscheinlich auch im Fernsehen Konkunktur: "Wir haben ja nicht nur in der Mode seit Jahren die Retro-Wellen, sondern offensichtlich scheint das auch in den Medien der Fall zu sein."
Bewährtes ist billiger
Auf Bewährtes in aufgefrischter Form zurückzugreifen, gilt nicht als sonderlich kreativ. Aber Medienexperte Spies weiß auch, dass es den Programmverantwortlichen dabei auch ums Geld geht. Altes aufzupeppen ist billiger als neue Formate zu entwickeln. "Denn wenn man ein neues Format platzieren will, dann kostet das viel auf dem internationalen Markt. Und an hat nicht die Gewähr dafür, dass es dann wirklich von jetzt auf gleich auch funktioniert“, sagt Medienkenner Spies.
Es geht zwar nicht auf breiter Mattscheibenfront zurück in die Vergangenheit, doch neben "Dalli Dalli" erleben weitere TV-Urgesteine ein Comeback. Schon im August 2012 startet das ZDF das Remake des Ratespiel-Klassikers "Die Pyramide". Und im Herbst versucht sich das ZDF an dem Kraftakt, einem Unterhaltungs-Dino neues Leben einzuhauchen: "Der große Preis". Eine Schlaumeier-Show, mit der Wim Thoelke, einer der Urväter deutscher Quiz-Show, unvergessliche Fernsehgeschichte schrieb. Zum Beispiel mit einer Multifunktionswand, hinter der sich für die Kandidaten geldbringende, superleichte Fragen, aber auch knifflige Aufgaben verbargen, auf die sie ihr schon erspieltes Kapital setzen mussten.
Einfallsloses Leitmedium?
Betrachtet man das Fernsehen als das deutsche Leitmedium, dann könnte der Verdacht aufkeimen: die bundesdeutsche Gesellschaft befindet sich mit dieser Retro-Welle auf dem Weg zurück in die Vergangenheit. Allderdings ist es mit guten Unterhaltungsideen wie mit dem Rad: Man kann es nicht ständig neu erfinden. Doch ob es reicht, Altbewährtes mit neuen Gesichtern zu präsentieren, das wird wie immer die Einschaltquote der Fernsehsender zeigen.