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Retter einer bedrohten Kultur

9. Dezember 2001

Afghanistan-Kenner gründet Museum für afghanisches Kulturerbe. Seit den Attentaten vom 11. September ist das Interesse an Afghanistan sprunghaft angestiegen. Auch das Museum wurde zu einem Magneten für die Medien.

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Buddha Statue in Bamijan, AfghanistanBild: AP

Paul Bucherer steht vor einer Glasvitrine und erklärt Schülern die Herkunft steinerner Öllämpchen aus Afghanistan. Immer wieder wird er vom Telefon unterbrochen, mal antwortet er auf Journalistenfragen, mal gibt er ein Interview. Bis zu 70 Anfragen von Journalisten habe er seither an einem Tag erhalten, berichtet der ehemalige Architekt. Er war 1971 erstmals als Student in Afghanistan - und sofort fasziniert. "Dieses Land war nie kolonialisiert und konnte so seine Eigenheiten und Kultur bewahren". Von nun an kehrte er immer wieder dorthin zurück. In all den Jahren knüpfte Bucherer Kontakte zu Vertretern aller Volksgruppen – heute gilt er international als einer der besten Afghanistan-Kenner. Seit 1975 sammelt der Schweizer Dokumente aller Art über das Land. Das Archiv ist heute auf fast 18.000 Schriftstücke und Fotos angewachsen, darunter viele Originale von unschätzbarem Wert, und gilt als weltweit größtes Dokumentationszentrum über Afghanistan. Bucherer will damit zum besseren Verständis der Geschichte und Kultur dieses Landes beitragen.

Museum ist nur vorrübergehendes Domizil der Kulturgüter

Vor allem aber will er helfen, afghanische Kulturgüter zu retten. Dazu gründete er im Sommer 2000, mit aktiver Unterstützung von Afghanen zu Hause und im Exil, ein Museum. In einer ehemaligen Lastwagenhalle werden seither Schmuckstücke, alte Waffen, Trachten, Instrumente, Gebetsteppiche, Bücher, Fotos, Gemälde sowie Möbel und andere Gebrauchsgegenstände aufbewahrt. Rund 2000 Exponate haben sich mittlerweile angesammelt. Afghanen und Reisende unterstützen seine Initiative. Finanziell gefördert wird die Einrichtung unter anderem von der Schweizer Regierung und dem Kanton Basel. Die Schirmherrschaft übernahm, nach anfänglichem Zögern, die UNESCO.

Zunächst habe es Probleme gegeben, weil die UNESCO ja dafür eintrete, dass Kulturgüter in ihren Ländern bleiben, berichtet Bucherer. Als die Taliban aber im März die berühmten Riesen-Buddhastatuen von Bamijan trotz weltweiter Proteste in die Luft sprengten, habe die UN-Kulturorganisation erkannt, dass nun "gerettet werden muss, was noch zu retten ist". Sie erklärte die Initiative zu einem "weltweit einzigartigen Pilotprojekt". Im Gegensatz zu anderen Museen versteht sich die Sammlung nämlich nur als vorrübergehender Exil-Hort: "Ziel ist es, alle Exponate und Dokumente nach Afghanistan zurückzubringen, sobald dies möglich ist", betont Bucherer.

Wiederaufbau der zerstörten Buddha-Statuen geplant

Bis dies soweit ist, hat er noch einen großen Plan: Gemeinsam mit einer Züricher Kulturstiftung will er Gelder eintreiben, um die zerstörten Buddha-Statuen wieder aufzubauen. Dazu wurde vor drei Wochen im Internet eine weltweite Sammelaktion gestartet. Nach Angaben des Gründers der Stiftung "new7wonders", Bernhard Weber, ist das Echo "erstaunlich groß". Bisher hätten Privatleute 8000 Dollar (17.600 Mark / 9000 Euro) gespendet. Die Initiatoren hoffen nun vor allem auf Groß-Sponsoren, Unternehmen oder Institutionen.

Zunächst sollen die einst 53 und 35 Meter hohe Statuen digital millimetergenau vermessen werden. Grundlage dafür sind Aufnahmen, die ein Professor für Vermessungstechnik an der Universität Graz, Robert Kostka, 1978 gemacht und nun dem Archiv übergeben hat. Anhand der dreidimensionalen Vermessungen sollen dann Kopien der Statuen in einem Maßstab von eins zu zehn für das Afghanistan-Museum entstehen. Anschließend ist der originalgetreue Nachbau der Statuen im Bamijan-Tal geplant - falls genug Geld zusammenkommt. Bucherer rechnet damit, dass dazu einige Millionen Euro benötigt werden.