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Rezepte gegen die Jugendarbeitslosigkeit

Hilmar Schneider1. Mai 2012

Gute Bildung ist der Schlüssel zum Berufseinstieg. Wie kommt es dann, dass in vielen EU-Ländern trotz teilweise guter Ausbildung so viele Jugendliche ohne Job sind? Und warum ist das in Deutschland anders?

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Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik, Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), am Mittwoch (10.03.2010) in Berlin auf dem Symposium "Aufstiegschancen schaffen - soziale Effizienz steigern: Deutschland vor der Neuausrichtung der Sozialpolitik". Foto: Jens Kalaene dpa/lbn
Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der ArbeitBild: picture-alliance/dpa

Von Hilmar Schneider, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

Es ist nicht unbedingt verwunderlich, dass die Arbeitslosenquote von jungen Menschen praktisch überall höher ist als die allgemeine Arbeitslosenquote. Dennoch fällt auf, dass die Bandbreite zwischen verschiedenen Ländern gewaltig ist. In Ländern wie Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit traditionell schon immer sehr hoch gewesen, aber durch die Finanzmarktkrise hat sie mit gegenwärtig über 40 Prozent ein geradezu erschreckendes Ausmaß erreicht. In Deutschland liegt sie nach vergleichbarer Zählweise nur bei knapp 10 Prozent und verhielt sich nahezu krisenresistent.

Schwieriger Einstieg

Des Weiteren fällt auf, dass die Jugendarbeitslosigkeit vor allem in den Ländern besonders hoch ausfällt, deren Arbeitsmarkt stark reguliert ist. Bei einem stark ausgeprägten Kündigungsschutz ist es für Jugendliche besonders schwer, den Einstieg ins Erwerbsleben zu meistern. So lange sie in beruflicher Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt sind, bekommen sie nur schwer eine Chance sich zu bewähren, weil Fehlentscheidungen bei der Neueinstellung ein hohes Kostenrisiko für die Firmen darstellen. Das wirft natürlich sofort die Frage auf, wieso dann Deutschland trotz seines vergleichsweise stark regulierten Arbeitsmarktes bei der Jugendarbeitslosenquote so gut abschneidet?

Das Erfolgsgeheimnis

Die Antwort liegt in den Besonderheiten des dualen Ausbildungssystems, das es in dieser Form nur in wenigen anderen Ländern wie Österreich und der Schweiz gibt. In Deutschland absolviert mehr als die Hälfte eines Jahrgangs eine duale Ausbildung und erwirbt damit berufliche Qualifikationen, die andernorts im Rahmen schulischer oder akademischer Ausbildungseinrichtungen vermittelt werden. Die duale Ausbildung stellt zum einen sicher, dass das Ausbildungsangebot relativ arbeitsmarktnah ist und sorgt zum anderen für eine hohe Zuverlässigkeit von Qualifikationsstandards. Darüber hinaus beinhaltet es eine intensive Kennenlernphase, die Firmen eine relativ zuverlässige Einschätzung der Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale von Bewerbern am Ende der Ausbildungszeit gestattet. So wird das Risiko von Fehlbesetzungen wirksam begrenzt.

Interessanterweise funktioniert das System so effektiv, dass die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland sogar niedriger ist als in Ländern mit einem gering regulierten Arbeitsmarkt. In Großbritannien beispielsweise ist die Jugendarbeitslosenquote inzwischen doppelt so hoch ist wie in Deutschland, obwohl die Akademikerquote dort ironischerweise ebenfalls fast doppelt so hoch ist wie in Deutschland.

Symbiose der Systeme

Ohne das duale Ausbildungssystem würde sich die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit in ähnlichen Dimensionen bewegen wie gegenwärtig in Frankreich und Italien. Es ist eine notwendige Antwort auf die Zwänge der Regulierung. Ohne eine starke Arbeitsmarktregulierung würde das duale Ausbildungssystem wahrscheinlich gar nicht existieren, denn wenn Firmen die Möglichkeit haben, ein Arbeitsverhältnis jederzeit ohne viel Federlesen zu beenden, spielt das Risiko von Fehleinstellungen keine große Rolle. Damit entfällt die Notwendigkeit, ein durchaus kostenträchtiges betriebliches Ausbildungssystem zu finanzieren. Arbeitsmarktregulierung und duales Ausbildungssystem haben sich in Deutschland offenbar zu einer fruchtbaren Symbiose zusammengeschlossen.

Dennoch dürfte dieses Erfolgsmodell nur schwer zu exportieren sein. Gerade weil die duale Ausbildung für Firmen teuer ist, werden sich Firmen in Ländern mit einer schwachen Arbeitsmarktregulierung schwer damit tun, ein solches Modell großflächig einzuführen. Aber auch in Ländern mit einer starken Regulierung dürften die hohen Anlaufkosten zumindest eine kurzfristige und flächendeckende Einführung verhindern.

Kritik der OECD

Ungeachtet dessen wird die OECD nicht müde, Deutschland für seine angeblich zu niedrigen Investitionen in Bildung zu kritisieren. Deutschland fällt angeblich immer weiter zurück, was die Hervorbringung von Hochqualifizierten anbelangt. Gemessen wird dies vor allem am Anteil von Hochschulabsolventen und Meistern, sowie dem Bruttoinlandsprodukt-Anteil der öffentlichen Ausgaben für das Bildungssystem. Die offenkundige Gefahr, dass in einer stärker verschulten Berufsausbildung systematisch am Bedarf des Arbeitsmarktes vorbei ausgebildet wird, fällt dabei unter den Tisch. Auch der Verweis auf die Höhe der Bildungsausgaben erzeugt ein schiefes Bild. Ein nennenswerter Teil der Bildungskosten, die in Ländern mit einer verschulten Ausbildung als öffentliche Bildungsausgaben gemessen werden, fallen hierzulande in Form nicht gemessener Ausbildungskosten der Betriebe an.

Die Güte von Bildungsanstrengungen bemisst sich nicht am Input, sondern am Output. Und da braucht sich Deutschland mit seinem dualen Ausbildungssystem wahrlich nicht zu verstecken.

Dr. Hilmar Schneider ist Direktor Arbeitsmarktpolitik am IZA - Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen Studien zu den Arbeitsmarktwirkungen von Lohnersatzleistungen, den Arbeitsmarktperspektiven Ostdeutschlands, der Effizienz von aktiver Arbeitsmarktpolitik im Transformationsprozess und den wohlfahrtsstaatlichen Perspektiven in Europa.