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Musik

Richard Wagner in Dresden

Silke Bartlick21. Juni 2013

Der Komponist Richard Wagner lebte länger in Dresden als in jeder anderen Stadt. Er hat das Musikleben der Elbmetropole verändert. Und er wurde von Dresden beeinflusst. Eine Spurensuche.

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Stadtansicht Dresden (Photo by Johannes Simon/Getty Images)
Bild: Getty Images

Mehr als 20 Jahre seines Lebens hat Richard Wagner in Dresden verbracht. Hier besuchte der 1813 geborene Komponist die Kreuzschule, hier wirkte er als Hofkapellmeister, hier lebte er in diversen, höchst unterschiedlich ausgestatteten Wohnungen. Doch wer sich aufmacht, um die verschiedenen Schauplätze in Augenschein zu nehmen, wird enttäuscht: Kaum ein Gebäude ist noch im originalen Zustand erhalten. Was im späteren 19. Jahrhundert nicht der rasanten Stadterweiterung weichen musste oder Feuersbrünsten zum Opfer fiel, wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges zerstört. So bleibt nur der Weg ins Stadtmuseum. Eine Sonderausstellung erzählt hier Wagners Geschichte in Dresden.

Kinderjahre in der Elbmetropole

Als Richard Wagner ein Jahr alt war, zog seine Familie von Leipzig nach Dresden. Die Elbmetropole war zu dieser Zeit eine prächtige Residenzstadt, in der Sachsens König Friedrich August I. das Hofzeremoniell pflegte. Weshalb das Theater "Königliches Hoftheater" hieß, der damals noch junge und unbekannte Komponist Carl Maria von Weber als "Königlich-Sächsischer Hofkapellmeister" an die neu gegründete Oper engagiert wurde und Richard Wagners Stiefvater, der Schauspieler Ludwig Geyer, den Titel "Königlicher Hofschauspieler" führen durfte.

Portraitbüste von Richard Wagner -- aus Bronze, von Walter Arnold -- (1960), aus dem Lindenau-Museum, Altenburg; April 2013; Copyright: DW/S. Bartlick
Wagner-Büste von Walter ArnoldBild: DW/S. Bartlick

Der vielseitig begabte Geyer hat dem jungen Wagner zahlreiche Anregungen geboten. Er war mit Künstlern und Musikern befreundet, sorgte für gebildete Erzieher und hat mit dem kleinen Richard und dessen älteren Schwestern häufig Theater und Konzerte besucht. In seinem eigenen satirischen Lustspiel "Der bethlehemitische Kindermord"  spielte Richards Schwester Klara mit. Das verrät ein Theaterzettel aus dem Jahre 1821 im ersten Abschnitt der Ausstellung, der mit zeitgenössischen Stadtansichten und Porträts relevanter Persönlichkeiten um Wagners Dresdener Kinderjahre kreist.

Künstlerischer Durchbruch

1827 zieht Richard Wagner mit seiner Familie zurück nach Leipzig, 15 Jahre später kehrt er mit seiner ersten Ehefrau Minna Planer nach Dresden zurück und erlebt hier mit der Uraufführung der Oper "Rienzi" seinen künstlerischen Durchbruch. Anfang März 1843 erhält er eine lebenslange Anstellung als Königlicher Kapellmeister und feiert in der wegen ihrer Schönheit gerühmten Semperoper in den folgenden Jahren eine Reihe von Triumphen. Auch von ihnen erzählt die Schau im Stadtmuseum. Vornehmlich aber geht es ihr um die Einbindung Wagners in die Geschichte Dresdens.

Modell der ersten Semperoper, ausgestellt im Stadtmuseum Dresden; April 2013, Dresden; Copyright: DW/S. Bartlick
Modell der ersten SemperoperBild: DW/S. Bartlick

Deshalb wird auch ausführlich auf die Überführung der sterblichen Überreste Carl Maria von Webers eingegangen. Weber galt als Begründer der deutschen Oper und war 1826 während einer Konzertreise in London gestorben. Richard Wagner engagierte sich monatelang für die Heimholung der sterblichen Überreste seines Vorbilds. Sie erfolgte schließlich per Schiff und Eisenbahn. Eigens für die Beisetzung komponierte Wagner einen Choralgesang und eine Trauersinfonie.

Auf den Barrikaden

In Dresden fand Richard Wagner zahlreiche Freunde und künstlerische Weggefährten. Einer von ihnen war Musikdirektor August Röckel, der den Komponisten nachweislich politisch geprägt hat. Bereits vor der deutschen Revolution von 1848/49 rief Wagner in den von Röckel verlegten "Volksblättern" zur Überwindung der Klassengesellschaft auf und machte sich für die Freiheit des Individuums stark. König Friedrich August II. aber wehrte sich mit aller Macht gegen Versuche, in Sachsen ein parlamentarisches System einzuführen. Doch genau darum ging es den Revolutionären von 1848/49. Als die Revolution im Mai 1849 Dresden erfasste, eskalierte dort die Gewalt. Aufständische riegelten die Altstadt mit Barrikaden ab, der König ging mit Truppen gegen sie vor.

Modell der Barrikadenkämpfe in Dresden im Mai 1849, ausgestellt im Stadtmuseum Dresden; April 2013; Copyright: DW/S. Bartlick
Die Barrikadenkämpfe im ModellBild: DW/S. Bartlick

Richard Wagner war zwar nicht an den Kämpfen beteiligt, aber er hat sich, das ist verbürgt, als Wachposten und Meldegänger betätigt. Das war unvereinbar mit seiner Anstellung als Königlicher Kapellmeister. Wagner wurde sogar steckbrieflich gesucht, einer Verhaftung entzog er sich jedoch durch die Flucht aus Sachsen. Das Kapitel Dresden, es hatte in Richard Wagners Leben ein abruptes Ende gefunden. Selbst seine Werke standen erst zwei Jahrzehnte später wieder auf dem Spielplan der Oper.

Wagner passt immer!

Die Ausstellung im Stadtmuseum Dresden endet freilich nicht mit Wagners Flucht, sondern setzt sich in einem abschließenden Kapitel mit der nachfolgenden Rezeption von Künstler und Werk auseinander. Schon zu Lebzeiten stieg Richard Wagner zur Komponisten-Legende auf. Im Kaiserreich wurde er popularisiert – es gab sogar Sammelbildchen seiner Opernfiguren in Schokoladetafeln –, die  Nationalsozialisten vereinnahmten seine Musik, und in der DDR wurde er zum progressiven Sozialrevolutionär stilisiert. So schuf sich jede Ideologie ihren Wagner. Der erklärte Antisemit wird bis heute kritisch gesehen, sein musikalisches Werk jedoch auf der ganzen Welt gefeiert.

Übersichtsplan der Wagner-Gedenkstätten in Graupa; April 2013; Copyright: DW/S. Bartlick
Übersichtsplan in GraupaBild: DW/S. Bartlick

Wer sich nach der Besichtigung der Dresdener Ausstellung mit Bus oder Auto in das wenige Kilometer südlich gelegene Örtchen Graupa begibt, lernt weitere Facetten Richard Wagners kennen. Er war nämlich auch ein Naturfreund, der bei Wanderungen Anregungen suchte und sich von den Strapazen des Alltags zu erholen pflegte.

Wagner auf dem Lande

In Graupa mietete er im Sommer 1846 einfache Zimmer in einem Bauernhaus. Hier konzipierte er in wenigen Wochen seine berühmte Oper "Lohengrin". Heute dreht sich im Ort fast alles um den Komponisten: Besucher können die authentisch nachgestalteten Wagnerräume besichtigen, im nahegelegenen Jagdschloss Graupa wird in einer modernen, multimedialen Schau Wagners Lebens- und Schaffensweg in Sachsen bis 1850 vorgestellt. Und durch den Schlosspark führt ein kurzweiliger Wagner-Kulturpfad. Wagner für alle Sinne!