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Richtungswechsel in Kroatien

24. November 2003

Nach vier Jahren in der Opposition hat sich die nationalkonservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) in Zagreb zur Siegerin der Parlamentswahlen erklärt. Was bedeutet das für das Land?

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Ivo Sanader und seine Partei ist nicht mehr "Opposition"Bild: Ap


Da die HDZ und mögliche Partner aus dem rechten Spektrum deutlich mehr Stimmen als der Bund um die regierenden Sozialdemokraten (SDP) erreicht haben, kündigte der HDZ-Vorsitzende Ivo Sanader am Montag (24.11.2003) den Beginn von Koalitionsgesprächen an. Er sagte aber, seine Partei lehne Nationalismus und Rassismus ab und wolle das Land in die EU führen. Der EU-Beauftragte für die Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, forderte die neue kroatische Führung auf, an "europäischen Werten und Standards festzuhalten".

Verteilung der Stimmen und Mandate

Nach vorläufigen Ergebnissen der Staatlichen Wahlkommission vom Nachmittag kommen die HDZ und mögliche Koalitionspartner auf 76 Mandate im Sabor, dem Parlament, während die Sozialdemokraten (SDP) und ihre sechs möglichen Koalitionspartner zusammen nur 63 Sitze erhielten. Dazu kommen Mandate für Kroaten im Ausland und die Minderheiten. Die kroatischen Serben signalisierten am Montag ihre Unterstützung für die HDZ. Ein vorläufiges Endergebnis wurde erst in einigen Tagen erwartet. Das Parlament hatte in der vergangenen Legislaturperiode 160 Sitze, von denen acht für Minderheiten und zwölf von den Auslandskroaten bestimmt wurden.

Wiederaufstieg der Nationalen

Viele Beobachter hatten der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) nach dem Tod ihrer Führungs-Figur Franjo Tudjman Ende 1999 den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit prophezeit. Bei der folgenden Wahl wurde sie zwar noch knapp stärkste Kraft im Parlament. Doch die Regierungsgeschäfte übernahm eine Mehr-Parteien-Koalition mit dem Sozialdemokraten Ivica Racan an der Spitze. Ein Teil der HDZ spaltete sich ab. Vier Jahre später meldet sich die Partei erstarkt zurück.

Im Stimmen-Verlust der Regierungs-Koalition spiegelt sich der Unmut der Bevölkerung über die nach wie vor schlechte wirtschaftliche Lage wider. Hinzu kommt, dass sich die HDZ unter Sanader einen demokratischeren Anstrich gegeben hat als zu Tudjmans Zeiten und einen schnellen EU-Beitritt verspricht. Somit hat sie sich dem Programm der Sozialdemokraten weitgehend angenähert, die in den vergangenen vier Jahren zwar außenpolitische Erfolge feierten, wirtschaftlich aber kaum vorzeigbare Fortschritte erreicht haben.

Der Weg in die EU ist noch weit

Die künftige kroatische Führung werde an ihren Taten gemessen, sagte ein Sprecher von EU-Außenkommissar Chris Patten. Er forderte Zagreb zur verstärkten Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auf. Drei kroatische Militärs waren von dem Gericht wegen möglicher Kriegsverbrechen angeklagt worden: Einer stellte sich, ein weiterer ist mittlerweile tot, während der dritte, Ante Gotovina, weiter auf der Flucht ist.

Politische Beobachter äußerten Zweifel am programmatischen Wandel der HDZ: "Die oberste Führung hat sich reformiert, aber die mittleren und unteren Ränge sind weiter extremistisch", sagte der Experte Nenad Zakosek. Er warnte vor einer Destabilisierung des Landes, falls Sanader dem Druck parteiinterner Hardliner nicht standhalten könne. Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) forderte die Aussetzung der EU Verhandlungen mit Kroatien. Die HDZ habe in der Opposition die Rückkehr von Angehörigen der serbischen Minderheit nach ihrer Vertreibung aus Kroatien behindert, hieß es. (arn)