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Keine Regierung in Israel

Gil Yaron, Tel Aviv / dh18. März 2009

Nach der Wahl in Israel ist weiterhin unklar, wie die nächste Regierung aussieht. Nur zwei Dinge stehen fest: Benjamin Netanjahu wird Premier und Hardliner Lieberman zu einem der wichtigsten Personen im Kabinett.

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Avigdor Lieberman (Foto: AP)
Avigdor Lieberman gilt nicht als ausgewogenBild: picture-alliance / maxppp / AP / DW-Montage

Spätestens am Sonntag (22.03.209) läuft Israels angehendem Premier, dem Likud-Chef Benjamin Netanjahu, die Zeit aus, um eine Koalition zu bilden. Hat er bis dann nicht mindestens 61 der insgesamt 120 Knessetabgeordneten hinter sich versammelt, kann er Staatspräsident Schimon Peres um eine letzte Galgenfrist von 14 Tagen bitten. Am Mittwoch (18.03.2009) sah es ganz danach aus, als ob Netanjahu jede zusätzliche Minute bitter brauchen könnte, denn die Verhandlungen saßen an allen Fronten fest. Bis jetzt hat er einen Vertrag mit der nationalistischen "Israel Beiteinu" ("Unser Haus Israel") Partei Avigdor Liebermans in der Hand und verfügt somit über nur 43 Mandate.

Das die Gespräche sich so lang hinziehen hat zwei Gründe. Israel steht außen- wie innenpolitisch vor großen Herausforderungen: Der Iran, der Israels Existenzrecht wiederholt in Frage gestellt hat, macht beim Bau einer Atombombe große Fortschritte. Im Gazastreifen herrscht die radikal-islamische Hamas, die den Süden des Landes weiter mit Raketen beschießt, während die internationale Staatengemeinschaft Netanjahu bereits davor warnte, dem Friedensprozess nicht den Rücken zu kehren. Daheim wird die internationale Wirtschaftskrise mit ersten großen Entlassungswellen spürbar.

Netanjahu braucht linke Partner

Netanjahu und Livni (Foto: AP)
Livni und Netanjahu konnten sich bei Sondierungsgesprächen nicht einigenBild: AP

Die schweren Entscheidungen, die ihm bevorstehen, will Netanjahu deswegen nicht allein an der Spitze einer schmalen, ultra-nationalen Koalition, sondern im Einvernehmen mit den wichtigsten politischen Kräften fällen. Erst in dieser Woche wiederholte er seine Offerten an die linke Arbeitspartei, indem er ihrer Führung Honig um den Bart schmierte: "In der Arbeitspartei befinden sich führende und erfahrene Kräfte, die dem Land viel in Fragen der Sicherheit, Wirtschaft, Diplomatie und Soziales beisteuern können", ließ er verlauten. Netanjahu traf sich in den vergangenen Tagen wiederholt mit Parteichef Ehud Barak, um ihn mit "großzügigen Angeboten" in die Regierung zu holen. Außerdem buhlt Netanjahu weiter um die Gunst der Kadima-Partei unter Zipi Livni. Quellen im Likud schlossen eine Rotation, in der Netanjahu drei und Livni ein Jahr im Stuhl des Premiers sitzen würden, nicht mehr aus. Doch selbst wenn die Bemühungen Netanjahus nicht hoffnungslos sind, erscheint es unwahrscheinlich, dass Livni oder Barak vom Weg in die Opposition umkehren werden.

Wahrscheinlicher ist deswegen eine kleine und entsprechend labile Koalition mit "natürlichen Partnern" des Likud, mit den rechten und religiösen Parteien. Doch auch hier kriselt es. Denn obschon die vier potentiellen Koalitionspartner sich außenpolitisch einig sind und territoriale Zugeständnisse an die Palästinenser oder Syrien ablehnen, sind sie innenpolitisch tief gespalten. Bisher konnte Netanjahu mit keiner der religiösen Parteien einen Koalitionsvertrag unterschreiben. Zum einen will er so Livni und Barak die Tür offen halten will, zum anderen möchte er nicht den Preis zahlen, den ihm die Orthodoxen abverlangen. Die religiösen Parteien stoßen sich an Liebermans Wunsch, Nicht-Juden in Israel künftig die Zivilehe zu gestatten, während für Lieberman die Forderung nach zig Millionen für Toraschulen ein rotes Tuch ist.

Hardliner im Außenministerium

Lieberman bei einer seiner Reden (Foto: AP)
In seinen Reden wettert Lieberman gegen die Araber IsraelsBild: AP

Ob letztlich eine schmale, ultra-rechte Regierung oder ein breites Bündnis Israel regiert - klar ist nur, dass der Hardliner Lieberman eine zentrale Position einnehmen wird. Der Vertrag mit dem Likud sieht den Ultranationalisten für den Posten des Außenministers vor. Für Lieberman gibt es keine Grautöne: Nachbarstaaten sind entweder Israels Freunde oder Feinde. Und Feinde will er hart bekämpfen. Unlängst schickte er in einer Knesset-Rede Ägyptens Staatspräsident zur Hölle. Im Kriegsfall schlug er vor, den Assuanstaudamm zu bombardieren. Statt Terroristen in einem Gefangenenaustausch freizulassen, sollte man sie im Toten Meer ertränken, so Lieberman. Der ägyptische Botschafter in Israel erklärte diplomatisch, dass Kairo die neue Regierung nach ihren künftigen Taten und nicht nach ihren alten Reden beurteilen werde und lud Netanjahu nach seinem Amtsantritt nach Ägypten ein. Doch der ägyptische Außenminister Achmed Abul Gheit äußerte bereits seine Sorge über die neue Regierung im mächtigen Nachbarland.

Lieberman soll nicht nur Israels neues Gesicht in der Welt werden, sondern auch die Sicherheitspolitik gegenüber dem Iran mit den USA abstimmen. Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass Netanjahu in dieser Frage nicht viel von Diplomatie hält. Der Umstand, dass der Sturz der Hamas-Regierung ins Regierungsprogramm aufgenommen wurde, lässt an Israels Südfront eine Eskalation wahrscheinlich erscheinen. Sollten Livni und Barak nicht in letzter Minute Netanjahus Offerten annehmen und Lieberman aus dem Außenministerium verdrängen, zeichnet sich für die gesamte Region eine schmale Gratwanderung zwischen rhetorischer und militärischer Eskalation ab.