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Ringen um neue "Hausordnung"

6. Juni 2003

Nach wochenlangen Auseinandersetzungen über die künftige Machtverteilung in der Europäischen Union zeichnet sich im Reformkonvent ein Konsens ab - mit Zugeständnissen auf Seiten der großen wie der kleinen Staaten.

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Verfassung für das "Haus Europa" gesucht

"Der Entwurf atmet den Geist des Kompromisses", sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer zu den am Freitag (6. Juni 2003) vorgelegten neuen Vorschlägen des EU-Konventspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing für einen Verfassungsentwurf. Der Vorschlag sei "die Grundlage für einen endgültigen Konsens", versicherte auch Giscard d'Estaing. Er betonte, die Neufassung würde von den 105 Konventsmitgliedern überwiegend unterstützt.

Der "EU-Präsident"

Bisher stritten kleine und große EU-Länder besonders um einen hauptamtlichen "EU-Präsidenten". Das Konventspräsidium schlug vor, die Befugnisse des "Präsidenten" stark einzugrenzen. Das kommt vor allem kleinen und mittleren EU-Ländern entgegen. Nach ihrer Vorstellung soll der "EU-Chef" keine eigene Verwaltung erhalten, um nicht zu mächtig zu werden. Der "EU-Präsident" könnte dem neuen Text zufolge in Personalunion gleichzeitig Präsident der EU-Kommission sein. Dieser so genannte Doppelhut war bisher nicht vorgesehen. "Es ging darum, die Rotation der Präsidentschaft abzuschaffen. Das ist geschehen", erklärte Giscard.

Neues Mehrheitenverhältnis

Fischer rief erneut dazu auf, in der EU-Außenpolitik die Vetorechte der Staaten zu beschneiden. "Es ist auch im Interesse der großen Staaten wie Frankreich und Großbritannien, dass nicht Sonderinteressen eines Mitgliedstaates den Fortgang der europäischen Außenpolitik dauerhaft blockieren." Mehrheitsentscheidungen des EU-Ministerrates sollen von 2009 möglich sein, wenn eine "doppelte Mehrheit" erreicht wird. Rein rechnerisch ist das die einfache Mehrheit der EU-Staaten, die mindestens 60 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung repräsentieren. Mit dieser einfachen Formel werde eine echte demokratische Legitimierung erreicht, begründete Giscard d'Estaing den Vorschlag. Vor allem kleine und mittlere Staaten bangen jedoch um ihren Einfluss im Brüsseler Machtgefüge, deuteten aber an, ihre Blockadehaltung aufzugeben.

Furcht vor Machtverlust

Insbesondere Spanien kann sich allerdings mit der neuen Mehrheitsregelung noch nicht abfinden: Das Land fürchtet, Einfluss zuverlieren, weil der Bevölkerungsanteil stärker gewichtet würde als derzeit, wo Spanien fast genauso viele Stimmen hat wie Deutschland, aber nur halb so viele Einwohner. Um Mehrheitsentscheidungen auch in sensiblen Gebieten wie der Außen- oder Steuerpolitik zu erleichtern, sieht der Vorschlag zudem einen verschärften Mehrheitsbeschluss vor. Dabei müssten zwei Drittel der Mitgliedstaaten zustimmen, die zugleich 80 Prozent der Bevölkerung vertreten.

Neue Zusammensetzung der Kommission

Für die EU-Kommission schlug das Präsidium vor, dass alle Länder ab 2004 nur noch jeweils einen Kommissar nach Brüssel senden. Ab 2009 soll das Kollegium auf 15 Mitglieder reduziert werden - den so genannten "inneren Zirkel". Die Kommissare würden nach einem Rotationsprinzip ausgewählt. Dabei nicht berücksichtigte Länder sollen mit einem "Junior"-Kommissar ohne Stimmrecht vertreten sein. Diese Regelung zieht nach sich, dass in Zukunft auch große Länder wie Deutschland und Frankreich nicht immer stimmberechtigt sein werden. (arn)