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Risiken der Globalisierung

30. Juli 2002

Globalisierung ist ein Schlagwort, unter dem jeder etwas anderes versteht. Sicher ist nur, dass dieser Prozess Menschen und Märkte weltweit enger verknüpft. Welche Risiken dies birgt, erklärt Ernst-Ulrich von Weizsäcker.

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Ernst Ulrich von Weizsäcker: "Die Schwachen haben wenig von der Globalisierung."

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Vorsitzender der Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft" des Deutschen Bundestages. Vor wenigen Wochen stellte die Enquete-Kommission ihren Abschlussbericht fertig. Darin fasste sie die Ergebnisse ihrer zweieinhalbjährigen Arbeit zusammen und gab konkrete Empfehlungen zum Umgang mit der Globalisierung. Vor seiner Tätigkeit im Bundestag leitete Weizsäcker von 1991 bis 2000 das renommierte "Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie". Er ist ausserdem Mitglied im Club of Rome, einem "Think Tank" zu Umweltfragen. Die Fragen stellte Oliver Schilling.

Herr Weizsäcker, welche Chancen und Risiken liegen in der Globalisierung?

Die Globalisierung ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Verlierer und Gewinner dieses Prozesses. Sie beschert uns zum Beispiel eine riesige Warenauswahl, aber die Vielfalt an Saatgut und Nutzpflanzen hat dramatisch abgenommen. Es gibt zwar gelbe, rote und orangene Maiskolben – aber die kommen alle vom selben Feld. Insgesamt ist es so, dass die Schwachen wenig von der Globalisierung haben und die Starken von ihr profitieren.

Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf den Staat?

Die Rolle des Staates hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts dramatisch verändert. Durch Wanderungsbewegungen und Drohgebärden der Wirtschaft wurden Staaten zunehmend veranlasst, Steuerentlastungen zugunsten der Reichen durchzuführen. Früher mussten Millionäre prozentual mehr Steuern zahlen als Mittelverdiener. Nun sehen wir eine systematische Senkung aller Steuern, die mit Kapital und Unternehmen zusammenhängen, während gleichzeitig Verbrauchssteuern sowie die Versteuerung von geringer bezahlten Arbeiten zugenommen haben. Das ist ein ganz erheblicher Einschnitt.

Bringt die Globalisierung auch Positives für den Staat?

Im Bereich der Demokratisierung und Pressefreiheit sind wir durch den Prozess der Globalisierung ein paar Schritte vorangekommen.

Kann man von einem Legitimationsdefizit sprechen, wenn Wirtschaftsvertreter durch ihren Einfluss Politik mitbestimmen und gewählte Mandatsträger beeinflussen?

Das kann man in der Tat. Hinzukommt, dass oftmals dieselben Menschen zwischen Wirtschaft und Staatsdienst hin- und herwechseln und man nicht sicher sein kann, dass sie im Staatsdienst frei von Wirtschaftsinteressen handeln. Dieses Phänomen nennt man das "Revolving-Door"-Prinzip, das auch in den USA mittlerweile sehr kritisch betrachtet wird.

Ist das auch die Kritik der zahlreichen Globalisierungsgegner, die auf den Straßen von Seattle, Prag, Göteborg und Genua protestiert haben?

Die Globalisierungskritiker haben richtig diagnostiziert, dass einzelne Staaten der geballten Macht der Finanzmärkte wenig entgegenzusetzen haben. Viele Globalisierungskritiker empfinden ganz massiv, dass Staaten die Interessen der schwächeren Gesellschaftsmitglieder nicht mehr vertreten.

Wie könnten die negativen Folgen eingedämmt werden?

Sicherlich kann eine bessere Zusammenarbeit der Staaten untereinander helfen. Dies wird auch als Global Governance bezeichnet. Somit können Regeln aufgestellt werden, die auch von der internationalen Wirtschaft respektiert werden müssen. Das Vermeiden von Steueroasen, internationale Regeln gegen Dumping, Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte, die Einhaltung von Arbeitsnormen – all dies können wir über internationale Organisationen und eine bessere Zusammenarbeit der Staaten untereinander erreichen. Die UNO, die WTO und die Internationale Arbeitsorganisation machen dies schon in manchen Bereichen. Wir müssen ihrem Beispiel auf sehr viel breiterer Basis folgen.

Vielen Dank für dieses Gespräch!