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Risiken und Nebenwirkungen

Ingun Arnold10. Januar 2003

In den letzten drei Jahren sind in Deutschland Biotech-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Doch 2002 erlitt die Branche an der Börse einen akuten Schwächeanfall. Besonders die Pharmasparte kränkelt.

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Die Boombranche Biotech hat Herzstolpern

Leipzig, Deutscher Platz. Hinter der altehrwürdigen Deutschen Bücherei rumpeln Lastwagen durch den Schlamm, quietscht ein Kran, werden Zementsäcke durch die Luft dirigiert. Hier entsteht auf 20.000 Quadratmetern einer der größten Biotech-Parks Deutschlands. Mit Wissenschaft, Forschung und Industrie unter einem Dach. 50 Millionen Euro kostet das ehrgeizige Projekt. Eine Investition zur rechten Zeit am rechten Ort?

Zurück auf den Boden der Tatsachen

Biotechnologin untersucht auf Legionärskrankheit
Bild: AP

Mehr als 14.000 Menschen arbeiten inzwischen in Deutschland in der Biotech-Branche. Allerdings haben 80 Prozent der Firmen weniger als 80 Beschäftigte. Nur einige Unternehmen schreiben schwarze Zahlen. "Seit Anfang 2000 folgte der anfänglichen Euphorie ein dramatischer Verfall der Börsenwerte", bilanziert Peter Stadler, Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB). Der "Reifegrad" der in Deutschland erst sieben Jahre alten Branche sei noch nicht sehr hoch. Noch immer bestehe ein großer Abstand zu den USA, wo bereits 1974 das erste Biotech-Unternehmen gegründet worden sei.

Anschluss verpasst

Ein Mitarbeiter der Bayer AG
Bild: AP

Biotech ist überall: Bier oder Joghurt sind ebenso biotechnische Produkte wie Arzneimittel, nachwachsende Rohstoffe, Enzyme oder gentechnisch hergestellte Immunabwehrzellen. Die meisten Biotech-Firmen arbeiten in der so genannten "roten Gentechnik" – der Pharmaindustrie. Auf dem Weltmarkt wurden im Jahr 2001 fast 20 Milliarden US-Dollar mit gentechnisch hergestellten Arzneimitteln umgesetzt.

Der Klassiker unter ihnen ist Insulin, das bereits seit 20 Jahren von gentechnisch veränderten Bakterien produziert wird. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2018 die Hälfte aller Arzneimittel biotechnologischer Herkunft sein wird. Zur Zeit sind in den USA 180 derartige Arzneimittel auf dem Markt, in Deutschland 88. Lediglich 13 davon werden auch in Deutschland hergestellt. Tendenz stagnierend. Die deutsche Pharmaindustrie – noch in den 1980ern ein ernstzunehmender Konkurrent am Weltmarkt – gilt inzwischen als siecher Patient. Aids, Alzheimer, Krebs: Heutzutage kurieren die Amerikaner und Briten die Gebrechen der Menschheit.

Der Markt ist knallhart

Tablettenproduktion
Bild: AP

"Bis 2005 fallen durch auslaufende Patente rund 40 Millarden Dollar Umsatz aus, so dass Unternehmen gezwungen sind, pro Jahr drei bis fünf neue Wirkstoffe auf den Markt zu bringen. Dies ist für viele unmöglich", erklärt Volker Fitzner von der Unternehmensberatungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers. Prominentestes Beispiel: Der Leverkusener Bayer-Konzern sucht händeringend einen Käufer für seine angeschlagene Pharmasparte. Doch mit Aspirin allein lässt sich kein Staat mehr machen. Zu tief sitzt der Skandal um den Cholesterinsenker Lipobay. Milliardeninvestitionen sind verpufft.

Eine Lösung der drohenden Pharma-Krise sieht Fitzner in Zusammenschlüssen zwischen Kapitalgebern und innovativen Forschungszentren. Doch woher nehmen, wenn deutsche Biologen und Chemiker scharenweise nach Amerika auswandern? "Der Zug ist fast schon abgefahren, da die Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten immer mehr ins Ausland verlagern", so Fitzners nicht gerade aufmunternde Prognose. Die Bio-City Leipzig will gegensteuern: Hier setzen Forscher und Unternehmen auf molekularbiologische Prozesstechnik, Moleküldesign und Bioanalytik - sozusagen die "Zulieferindustrie" der modernen Pharmaindustrie. Ab Mai 2003 soll es losgehen.