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Brüder oder Rivalen?

14. August 2011

Die Feindschaft zwischen Pakistan und Indien hemmt nicht nur die Länder selbst in ihrer Entwicklung, sondern eine ganze Region - und das 64 Jahre nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft.

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Indische und pakistanische Grenzsoldaten beim Flaggenappell (AP Photo/Aman Sharma)
Beim Flaggenappell stehen sich indische und pakistanische Grenzsoldaten gegenüberBild: AP

Am 14. und 15. August 2011 feiern Pakistan und Indien ihren Unabhängigkeitstag. 1947 endete die britische Kolonialherrschaft. Viel ist über die Rivalität der beiden Nachbarn geschrieben worden, die weit mehr als eine Million Menschen das Leben gekostet hat. Und dabei werden die beiden Nuklearmächte Pakistan und Indien oft als ungleiche Brüder bezeichnet. Der eine: Indien - groß, strahlend, von der Welt geliebt und hofiert. Der andere: Pakistan - klein, ungeliebt und isoliert.

Selbstbewusst fordert Indien einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Es kann mit Wachstumsraten von durchschnittlich acht Prozent in den letzten Jahren aufwarten und wird als Supermacht der Zukunft gehandelt.

Pakistan gilt unter einigen Beobachtern bereits als "failed state" - gescheiterter Staat, als unkontrollierbar und als sicherer Rückzugsort für Terroristen und Extremisten. Das Beispiel Osama Bin Ladens hat es gezeigt.

Viele ungelöste Probleme

Zusammen leben mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung in den beiden Ländern. Drei Kriege haben die Erzrivalen gegeneinander geführt - zwei davon um den Dauer-Zankapfel Kaschmir.

Sicherheitskräfte überwachen die Ausgangssperre im indischen Bundesstaat Jammu & Kashmir
Ausgangssperren, Proteste und Streiks sind in Kaschmir an der TagesordnungBild: UNI

Doch der immer noch ungelöste Kaschmirkonflikt ist nur eines von vielen Problemen, so der pakistanische Politikwissenschaftler Sajjad Naseer aus Lahore: "Zum Beispiel gab es vor 1984 die Diskussion um den Grenzverlauf auf dem Siachen-Gletscher nicht, die Sir Creek-Diskussion um die maritimen Grenzen zwischen den beiden Staaten oder die Streitigkeiten um die geplanten Staudammprojekte in Indien. Es geht eben jetzt nicht mehr nur um Kaschmir, sondern um viel mehr."

Bis 2014 will sich die USA aus Afghanistan zurückziehen. Da Washington nun auch Pakistan, ihrem wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Terror, nicht mehr uneingeschränkt vertraut, glaubt der Politologe Sajjad Nasser, dass neue Spannungen zwischen Indien und Pakistan nicht ausbleiben werden.

Denn beide Länder wollen bei der Neuordnung der regionalen Machtverhältnisse mitreden und den geplanten Rückzug der USA für sich nutzen: "Die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen beiden Ländern besteht darin, dass auf beiden Seiten große Armut herrscht. Nur wenn es Frieden gibt, kann es Fortschritt geben." Fortschritt gründe nun mal auch auf Handel: "Deshalb müssen wir jetzt realisieren, dass im Zentrum aller Anstrengungen die bilateralen Beziehungen stehen müssen, die es zu verbessern gilt und die dürfen auf keinen Fall von externen Ereignissen abhängen."

Die Anschläge von 2008 auf die indische Finanzmetropole Mumbai, die von pakistanischen Terroristen ausgeführt wurden, haben den fragilen Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan um Jahre zurückgeworfen.

Eine indische Rakete des Typs Agni-II wird am 56. Tag der Republik in Neu Delhi während einer Parade zur Schau gestellt, Foto: EPA/STR
Zur Abschreckung wird das Waffenarsenal in Paraden gerne zur Schau gestelltBild: picture-alliance/ dpa

Verteidigungsausgaben explodieren

Laut dem indischen Finanzminister Pranab Mukherjee werden die Verteidigungsausgaben für das kommende Finanzjahr bei etwa 37 Milliarden US-Dollar liegen, ein Plus von 11 Prozent zum vergangenen Jahr. Und auch Pakistan steht dem in nichts nach. Schon jetzt unterhält Pakistan die siebtgrößte Armee der Welt, gemessen an der Anzahl der aktiven Soldaten. Geld, das wie Aktivisten immer wieder betonen, besser in Bildung oder in die marode Infrastruktur in beiden Ländern investiert werden könnte.

Doch nicht nur Indien und Pakistan werden durch ihren Jahrzehnte alten Konflikt in ihrer Entwicklung gehemmt. Auch Nachbarstaaten wie Bangladesch, das sich 1971 von Pakistan abspaltete, Nepal, Bhutan oder Sri Lanka können sich kaum miteinander vernetzen. Noch bei der Gründung der Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation, kurz SAARC, 1985 wurde dies als Ziel ausgegeben.

Ineffiziente Regionalkooperation

Wirtschaftliche Ziele, wie der Wegfall von Zöllen oder die Einrichtung einer Freihandelszone können ohne die Lösung der politischen Probleme nicht erreicht werden. Das geht hin bis zu Visa-Erleichterungen zwischen Indien und Pakistan, die seit nunmehr 25 Jahren nicht umgesetzt werden, sagt die Südasienexpertin Savita Pande von der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu Delhi: "Wenn die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan besser wären, dann wäre auch eine Vereinigung wie SAARC effizienter. Es geht nie um wirtschaftliche Gründe, sondern immer um politische Feinheiten." Einen Tag lang herrsche Krieg, am nächsten gebe es einen Waffenstillstand. Und: "Plötzlich hören wir auf miteinander zu reden, dann ist wieder alles gut."

Indischer Schauspieler Shahrukh Khan
Auch der indische Schauspieler Shahrukh Khan ist in Pakistan ein SuperstarBild: AP

Dieses politische Ränkespiel sei vor allem deshalb so traurig, so Pande, weil die kulturellen Verbindungen zwischen Indien und Pakistan sehr eng sind. Indische Seifenopern sind zum Beispiel in Pakistan sehr beliebt, genauso wie die berühmten Bollywood-Filme.

In Indien schätzt man die pakistanische Dichtkunst in Urdu. Auch viele Politiker wurden noch im jeweiligen Nachbarland geboren und haben dort einige Jahre ihrer Kindheit verbracht - so beispielsweise der indische Premierminister Manmohan Singh oder der ehemalige pakistanische Präsident Pervez Musharraf. So hoffen viele trotz der dunklen Vergangenheit, die mehr als eine Million Menschen das Leben gekostet hat, immer noch auf eine bessere Zukunft.

Autoren: Priya Esselborn/Aamir Ansari
Redakteur: Chi Viet Giang