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Schuhwerfer muss hinter Gittern

12. März 2009

Für seinen Schuhwurf auf den ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush bei dessen Abschiedsbesuch in Bagdad, soll der irakische Journalist Muntadar al-Zaidi drei Jahre ins Gefängnis.

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Die Menschen im Irak sind nach dem Urteil empörtBild: AP

Fünf Sekunden machten ihn berühmt: Zuerst flog der eine Schuh in Richtung George Bush, dann der andere. Seitdem gibt es unzählige Computerspiele, in denen man weltweit Schuhe auf den Amerikaner schmeißen kann. Der ursprüngliche Schuhhersteller in der Türkei schwimmt in einer Flut von Aufträgen. Ein Bronzeschuh wurde gar als Denkmal in Tikrit, der Heimatstadt Saddam Husseins, errichtet. Auch an anderen Orten flogen seitdem Schuhe auf ungeliebte Politiker. Jetzt wurde der Besitzer der berühmt gewordenen Treter in Bagdad verurteilt. Muntada al-Zaidi soll drei Jahre ins Gefängnis. Die Empörung vor dem Gerichtsgebäude nach Bekanntwerden des Urteils war groß.

Drei berühmte Schuhe

Es gäbe drei in die Geschichte eingegangene Schuhe, witzelten arabische Medien im Vorfeld des Prozesses: Der Schuh von Cinderella. Der Schuh von Nikita Chruschtschow, mit dem der sowjetische Regierungschef 1960 während einer Rede bei den Vereinten Nationen auf den Tisch schlug. Und der Schuh von Muntadar, dem irakischen Fernsehjournalisten. Für viele Iraker ist er zum Helden geworden, zum Robin Hood von Bagdad, dem Rächer der Entrechteten. 62 Prozent der Befragten sehen das so. Nur 24 Prozent sehen in dem Schuhwurf eine kriminelle Tat. Das ergab eine Umfrage des britischen Fernsehsenders BBC und des amerikanischen ABC.

Irakischer Journalist und Schuhwerfer Muntadhar al Zeidi
Der Schuhwerfer - Muntadar al-ZaidiBild: AP

Bei all den ironischen Kommentaren über nun endlich gefundene Vernichtungswaffen im Irak bleibt bei dem Urteil über die geworfenen Schuhe doch ein bitterer, zynischer Nachgeschmack. Natürlich müsse eine derartige Tat bestraft werden, meint der Präsident der irakischen Journalistengewerkschaft, Moaid Allami. Schuhe nach jemandem zu werfen, habe in der arabischen Welt einen außerordentlich demütigenden Effekt und sei der stärkste Ausdruck von Ablehnung und Missachtung. "Stellen sie sich vor, wenn hier jeder Gast, der irgendeinem nicht gefällt, mit Schuhen beworfen würde?" Das könne keine Regierung zulassen. Gleichwohl gibt der Journalistenchef die Verhältnismäßigkeit der Strafe zu bedenken. Bush sei nicht verletzt worden und habe selber eher scherzhaft auf den Schuhwurf reagiert.

Der gefährlichste Arbeitsplatz
George W. Bush duckt sich vor dem fliegenden Schuh
George W. Bush duckt sich vor dem fliegenden SchuhBild: picture-alliance / dpa

Man dürfe nicht vergessen, unter welchem Druck Journalisten im Irak stünden. "Täglich stehen wir mit einem Fuß im Grabe", sagt Allami, dessen Vorgänger vor einem Jahr brutal niedergeschossen wurde, als er sein Büro verließ. Mit knapp 300 toten Journalisten seit der Invasion amerikanischer Truppen vor fast sechs Jahren ist das Zweistromland noch immer der gefährlichste Medienarbeitsplatz weltweit. Statt den Schutz für die Journalisten zu verstärken, hat der irakische Innenminister kürzlich vereinfachte Lizenzen zum Tragen von Waffen angeboten. Und der Gouverneur von Nadjaf offerierte Gratisgräber für tote Medienvertreter. Vor wenigen Tagen erst kamen zwei weitere Journalisten bei einem Bombenanschlag in Bagdads Viertel Abu Ghureib bei ihrer Arbeit ums Leben.

Der Satellitensender "Al-Baghdadia", für den Muntadar al-Zaidi arbeitet, sendet nun den ganzen Tag über Reaktionen auf das Urteil. Auch für den Chefredakteur ist die Strafe nicht verhältnismäßig. Die Emotionen seien in Muntadar hochgekocht, als George Bush anfing "bye-bye" zu sagen und sich mit einem Gala-Dinner verabschiedete. Ein unerträglicher Zynismus bei all dem Blut, das in den letzten Jahren im Irak geflossen sei. Trotzdem sei es doch besser, mit Schuhen gegen den Oberkommandierenden der Besatzungstruppen zu werfen, als mit Kugeln auf ihn zu schießen, nimmt der Sender seinen Reporter in Schutz. Die Einschaltquoten für Baghdadia sind seit dem Ereignis im letzten Dezember sprunghaft gestiegen.

Autorin: Birgit Svensson, Irak

Redaktion: Diana Hodali / Anne Allmeling