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Roma: In der Türkei und in ganz Europa diskriminiert

12. Mai 2005

Wie viele Roma wirklich in Europa leben, weiß niemand so genau. Nach Schätzungen könnten es rund 15 Millionen sein. Eine Internationale Roma-Konferenz in der türkischen Stadt Edirne brachte Roma aus ganz Europa zusammen.

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Roma-Familie in der SlowakeiBild: AP

Musik ist ein wichtiges Element im Leben der Roma – auch in der Türkei. Jeden Abend machen sie Musik in Bars und Cafés. So verdienen viele Roma ihren Lebensunterhalt in der Türkei. Fikri Ocak ist Roma und weiß, welche Bedeutung die Musik für die Roma hat: "In den Adern der Roma tanzt die Musik. Wir werden mit Musik geboren und sterben auch mit der Musik. Und Musik bedeutet Freundschaft und Liebe."

Unklarheit über Zahl der Roma in der Türkei

Auch deshalb wurden die zahlreichen in- und ausländischen Gäste der Internationalen Roma-Konferenz Anfang Mai in Edirne mit Musik begrüßt. Genaue Zahlen, wie viele Roma in der Türkei leben, gibt es nicht. Manche sprechen von einer Million, viele schätzen die Zahl weit höher. Die meisten Roma leben im westlichen Teil des Landes. In Edirne geht man von rund 27.000 Roma aus. Auch in den Großstädten wie Istanbul oder Izmir sind sie zahlreich vertreten. In Istanbul gibt es sogar Stadtviertel, in denen hauptsächlich Roma leben. Vor rund 1.000 Jahren seien die ersten Roma in das damalige Osmanische Reich gekommen. Rein rechtlich waren sie damals wie heute der türkisch-stämmigen Bevölkerung gleichgestellt.

Diskriminierung in allen Lebensbereichen

Doch auf der Konferenz war man sich einig: Die Roma werden in ganz Europa diskriminiert. Ivan Ivanov, Leiter des Europäischen Roma Informationszentrums in Brüssel, fasst zusammen: "Das größte Problem der Roma in Europa ist Diskriminierung. Sie werden in allen Lebensbereichen diskriminiert. In der Erziehung, Gesundheit und im Bereich der Arbeit. Die Regierungen müssen sich der Sache annehmen und dagegen kämpfen."

Auch die türkischen Roma beschweren sich über dieselben Themen. Zwar habe man rechtlich keine Probleme in der Türkei. Auf eine staatliche Unterstützung könne man aber nicht hoffen. Außerdem bekäme man kaum Arbeit als Roma. Und die Gesellschaft habe nur Vorurteile. Deshalb verschwiegen viele Roma ihre Herkunft, sagt Mustafa Aksu. Er ist der erste türkische Roma, der ein Buch über die Roma in der Türkei geschrieben hat.

Identität wird verheimlicht

Es gebe viele Roma-Familien in der Türkei, sagt Aksu, die mit der Zeit reich geworden seien, deren gesellschaftliches Leben sich dadurch geändert habe: "Die sind aber nicht durch Bildung reich geworden, sondern nur durch Handel. Wie auch bei anderen Völkern treten sie aus ihrer eigenen Gesellschaft aus oder entfernen sich von ihren Gruppen. Sie versuchen zu verbreiten, dass sie keine Roma sind, und versuchen so, ihre Identität zu verbergen." Auch Aksu hat seine Identität lange verheimlicht. Sogar seine Frau habe erst zwei Monate nach der Verlobung erfahren, dass er ein Roma ist, sagt Aksu. Als er vor einigen Jahren sein Buch schrieb und sich auch öffentlich als Roma bekannte, wollten viele Freunde und Bekannte keinen Kontakt mehr zu ihm haben.

Suat Kolukirik, Dozent an der Ege-Universität in Izmir, erklärt, viele Menschen hegten Vorurteile gegenüber Roma. Doch diese seien falsch: "Die türkischen Roma sind nicht dreckig, faul oder Diebe, wie es in Vorurteilen herrscht. Sie sind Türken, die der türkischen Wirtschaft einen großen Dienst leisten, indem sie arbeiten angehen, die von anderen weniger bevorzugt werden. Berufe wie Träger, Arbeiter auf dem Bau, Musiker oder Fahrer werden von Roma ausgeübt. Diese Jobs müssen auch gemacht werden. In diesem Sinne leisten sie einen enormen Beitrag für die türkische Wirtschaft."

Keine politische Vertretung

Aber die Regierung und die lokalen Politiker tun zu wenig für die Roma, beschweren sich die meisten. Ein Grund dafür ist, dass Roma in der Türkei weder durch Organisationen noch durch Parteien vertreten werden. Sie sind auch kaum in den übrigen türkischen Parteien vertreten. In anderen Ländern sind die Roma in dieser Hinsicht schon etwas weiter. Im bulgarischen Parlament beispielsweise gibt es immerhin zwei Abgeordnete mit Roma-Hintergrund.

Ein Problem der türkischen Roma scheint aber zu sein, dass sie untereinander zerstritten sind und sich kaum einigen können. Allein auf der zweitägigen Konferenz in Edirne zerstritten sich die gastgebenden Roma drei Mal.

Vedat Acikgöz, zurzeit Edirne
DW-RADIO/Türkisch, 10.5.2005, Fokus Ost-Südost