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Politik

Roma-Zählung: Empörung nach Salvinis Salve

19. Juni 2018

Italiens neuer Innenminister hat mit seinem Plan, die Roma behördlich zu erfassen, einen Proteststurm in der Politik ausgelöst. In der Bevölkerung scheint der Kurs des Rechtspopulisten dagegen gut anzukommen.

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Matteo Salvini
Bild: picture-alliance/Photoshot

Mehrere italienische Zeitungen berichteten, dass selbst Regierungschef Giuseppe Conte Salvini in einem Telefonat seine Verärgerung über den Vorstoß mitgeteilt habe. Öffentlich äußerte sich Conte zunächst nicht. Der Chef des Koalitionspartners Fünf Sterne, Luigi Di Maio, betonte daraufhin, jeglicher Zensus eines Bevölkerungsteils auf Basis der ethnischen Zugehörigkeit verstoße gegen die Verfassung.

"Ich denke nur an diese armen Kinder"

Der Chef der fremdenfeindlichen Lega und Vize-Ministerpräsident hatte am Montag angekündigt, er bereite ein "Melderegister" für Angehörige der Roma-Minderheit in Italien vor. Diejenigen unter ihnen, die keinen gültigen Aufenthaltsstatus hätten, sollten ausgewiesen werden. "Die italienischen Roma muss man leider bei sich zu Hause behalten", sagte Salvini im Fernsehsender Telelombardia. Inzwischen ruderte er zurück und erklärte, eine behördliche Erfassung der in Italien lebenden Roma oder eine Registrierung von Fingerabdrücken sei nicht geplant. Ihm gehe es lediglich darum, ein Bild von der Lage in den Roma-Lagern zu gewinnen. Auf Twitter ergänzte er: "Manche sprechen von einem 'Schock', warum? Ich denke nur an diese armen Kinder, die man das Stehlen und die Illegalität lehrt."

"Italien ist ins Jahr 1938 zurückgefallen"

Die Opposition reagierte entsetzt. "Italien ist ins Jahr 1938 zurückgefallen", erklärte die Senatorin Monica Cirinna von der sozialdemokratischen PD in Anspielung auf die Zeit des Faschismus und der Rassengesetze. "Gestern die Flüchtlinge, heute die Roma, morgen Pistolen für alle", sagte der frühere Ministerpräsident Paolo Gentiloni, der ebenfalls der PD angehört. Der Verein für den Schutz der Rechte von Sinti und Roma "Associazione 21 luglio" betonte, Salvini wisse offenbar nicht, dass Zählungen auf ethnischer Grundlage gegen italienisches Recht verstießen. Im Übrigen lägen bereits Zahlen zu den Bewohnern regulärer und informeller Roma-Siedlungen in Italien vor. Bei denjenigen unter ihnen, die keine italienische Staatsangehörigkeit haben, handelt es sich vielfach um Staatenlose aus dem früheren Jugoslawien, die nicht abgeschoben werden können.

Protestierende Roma beim Besuch von Lega-Politikern in einem Camp im Südwesten von Rom (Foto: picture-alliance/Pacific Press/L.C. De Petris)
Protestierende Roma beim Besuch von Lega-Politikern in einem Camp im Südwesten von Rom Bild: picture-alliance/Pacific Press/L.C. De Petris

Die Vorsitzende der Vereinigung der jüdischen Gemeinden Italiens, Noemi Di Segni, sagte, die Ankündigung des Innenministers erinnere an die vor 80 Jahren verabschiedeten und zunehmend in Vergessenheit geratenen Rassengesetze. "Kein Streben nach Zustimmung rechtfertigt beunruhigende Vorschläge, besondere Gruppen von Bürgern zu zählen und sie politischen Sicherheitsmaßnahmen zu unterziehen, die nur sie betreffen", betonte Di Segni.

Lega in Umfragen im Aufwind

Seit seinem Antritt als Innenminister Anfang des Monats beherrscht Salvini die Schlagzeilen. So stand er in der vergangenen Woche international in der Kritik, als er das Flüchtlings-Hilfsschiff "Aquarius" mit 630 Menschen an Bord abwies und ankündigte, private Rettungsschiffe nicht mehr in italienische Häfen zu lassen.

Salvinis Vorgehen bedeute "viel Propaganda und wenig praktische Folgen, aber mit einem klaren Resultat: die politische Debatte und Tagesordnung vollständig zu beherrschen", kommentierte die Zeitung "La Repubblica". Der Koalitionspartner Fünf Sterne gerate dabei zunehmend ins Hintertreffen, obwohl er bei der Parlamentswahl fast doppelt so viele Stimmen geholt hatte wie die Lega. Salvinis Taktik geht Umfragen zufolge auf: Demnach liegt die Lega in der Wählergunst derzeit bei mehr als 25 Prozent, ein klares Plus gegenüber dem Wahlergebnis von 17 Prozent im März. Die Fünf-Sterne-Bewegung verliert derweil Stimmen.

sti/pg (afp, epd)