1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Prozess gegen Rote Khmer

17. Februar 2009

Auf der Anklagebank sitzt der ehemalige Leiter eines Foltergefängnisses. Dort kamen zwischen 1975 und 1979 mehr als 16.000 Menschen um. Bislang ist niemand für die Verbrechen zur Verantwortung gezogen worden.

https://p.dw.com/p/GvmR
Kaing Guek Eav auf der Anklagebank (Quelle: AP)
Völkermordtribunal für Rote Khmer-Führer Kaing Guek EavBild: AP

"Es ist verboten, während Auspeitschungen oder Elektroschocks zu weinen." Das war Regel Nummer 6 der Lagerordnung in S 21, dem Foltergefängnis der Roten Khmer in Phnom Penhs Stadtviertel Tuol Sleng. Als 1979 die vietnamesische Armee einrückte und der Schreckensherrschaft von Rote-Khmer-Chef Pol Pot ein Ende setzte, lebten in S 21 nur noch sieben Häftlinge. Zwischen 15.000 und 17.000 Gefangene waren nach monatelanger Folter in Tuol Sleng auf den "Killing Fields" vor den Toren der Stadt umgebracht worden.

Der Angeklagte Kaing Guek Eav, genannt Duch, war schon im Vorfeld geständig und hat Reue über die Gräueltaten gezeigt. Der zum Christentum konvertierte 66-Jährige hat seine Opfer um Verzeihung gebeten. Der ehemalige Mathematiklehrer ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Die ersten Zeugen sollen Ende März gegen ihn aussagen.

Anhörung unter hohen Sicherheitsvorkehrungen

72-jähriger überlebender Gefangener der Roten Khmer (Quelle: AP)
72-jähriger überlebender Gefangener der Roten KhmerBild: AP

Duch wurde in einem kugelsicheren Fahrzeug zum Gerichtsgebäude in der Hauptstadt Phnom Penh gefahren, wo 500 Zuschauer auf den Beginn der Anhörung warteten. "Diese erste Anhörung ist die Verwirklichung bedeutender Bemühungen, um ein faires und unabhängiges Tribunal einzurichten gegen die Verantwortlichen, die in Führungspositionen gegen kambodschanisches und Völkerrecht verstoßen haben", sagte der Vorsitzende Richter.

Außer "Duch" wurden mittlerweile vier weitere Ex-Kader der Roten Khmer angeklagt, die jahrelang in Freiheit gelebt hatten. Von den Gräueln hätten sie nichts gewusst, behaupten sie. Es handelt sich um den damaligen Stellvertreter von Rote-Khmer-Chef Pol Pot, den so genannten "Bruder Nummer zwei" Nuon Chea, um den früheren Staatschef Khieu Samphan sowie um den ehemaligen Außenminister Ieng Sary und dessen Frau, Ex-Sozialministerin Ieng Thirith.

Kambodschaner wollen schnellen Prozess

Totenschädel von Opfern der Roten Khmer (Quelle: AP)
Totenschädel von Opfern der Roten KhmerBild: AP

Für die Kambodschaner ist es auch wegen des hohen Alters der Angeklagten die letzte Chance auf eine Ahndung der Verbrechen der Roten Khmer durch die Justiz. Mit 66 Jahren ist Duch der jüngste der fünf Angeklagten, der älteste ist 83. Viele Kambodschaner befürchten deshalb, sie könnten noch vor einer Verurteilung sterben. Pol Pot, der Anführer der Schreckensherrschaft, ist seit elf Jahren tot.

Die von den Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 vorangetriebene Vernichtung des eigenen Volkes ist in ihren Dimensionen fast unbegreiflich. Die Schergen um den Anführer Pol Pot, die - in Paris und Thailand ausgebildet - von einem maoistischen Bauernstaat träumten, rotteten bei ihren gesellschaftlichen Umwälzversuchen mehr als zwei Millionen Menschen aus - mehr als ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung. Die Bewegung wurde 1979 mit Unterstützung aus dem benachbarten Vietnam gestürzt, kämpfte jedoch noch bis 1998, dem Jahr, in dem Pol Pot starb, aus dem Untergrund weiter.

Deutschland unterstützt die Opfer

Der deutsche Staatsanwalt Jürgen Assmann, der der kambodschanischen Chefanklägerin Chea Leang beratend zur Seite steht, bezeichnete den Beginn der Prozesse gegen Führer der Rote-Khmer-Diktatur als ein starkes Signal. An das Verfahren knüpfe sich die Hoffnung, so Assmann, dass Rechtsstaatlichkeit und Justiz in Kambodscha gestärkt würden. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, begrüßte den Beginn der Hauptverhandlung in Phnom Penh.

Das Tribunal leistet aus Sicht der Bundesregierung einen "unverzichtbaren Beitrag zur Ahndung und Aufarbeitung schwerster Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha". Die Bundesregierung sagte bislang 6,8 Millionen Euro Unterstützung zu, außerdem werden Opfer und Angehörige bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt. Der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) betreut die 94 Nebenkläger. (HF/kis)