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"Rotes Licht, ich bin auf Sendung"

Jörg Matheis27. Juni 2002

Lampenfieber im Rampenlicht. Jörg Matheis war der erste Autor, der heute auf dem Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt las. Für DW-WORLD beschreibt er seine Eindrücke. Eine Fortsetzung.

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Jörg Matheis lesend auf dem Ingeborg Bachmann Wettbewerb 2002Bild: ORF

Klagenfurt ist nicht mehr der Urlaubsort, als den ich es am Anreisetag noch empfunden habe. Die Auslosung brachte es mit sich, dass es dazu ein paar Stunden früher kommt, als ich mir das idealerweise gewünscht habe: Ich bin der erste Lesende, der erste Kritisierte damit auch ...

Klagenfurt am Donnerstag ist eine Umgebung sehr technisierten Gesichtes, beschränkt auf die Flure und die Räume des ORF-Sendegebäudes, abgegrenzt von Stromkabeln und Mikrofonständern und Kameraobjektiven. Rotes Licht, du bist auf Sendung.

Im Gegensatz dazu die zweite prägende Empfindung: die extreme menschliche Nähe, Energiewellen, die ich vielleicht sogar mehr suche, als sie tatsächlich greifbar sind ... stützende Hände, Augen, Worte. Endlich, um neun, jene einführenden Sätze, welche die meisten deutschsprachigen Schriftsteller einmal hören möchten. Dann ich allein mit meinem Text: Rotes Licht, ich bin auf Sendung.

Der Bachmann-Wettbewerb, ganz Klagenfurt, ja der ganze strahlend blaue Himmel dort draußen ... hier im Kopf, in dem die eigene Stimme tut, was ich von ihr erhoffe, ist das alles nichts ... ich bin nicht vor dem Mythos in die Knie gegangen, sondern sitze aufrecht inmitten der Jury; ich mag, was ich geschrieben habe und ich lese es hier, so gut es gelingt. Eine Weile ist da der Versuch, es zu genießen und noch einmal eine Weile gelingt es auch, selbst in jener halben Stunde, in der positives Urteil und Gegenstimmen im Widerstreit stehen.

Das rote Licht liegt jetzt auf anderen, Klagenfurt darf wieder Urlaubsstadt werden, aber ausgerechnet da alles gelaufen scheint, setzt Aufregung ein. Das Erhoffte – hier Lesen und eher gut besprochen werden – ist zwar erreicht. Als erster gelesen zu haben, heißt jedoch auch, am längsten auf die Zeit der Preisvergabe warten zu müssen.

Klagenfurt wird unter seinem Sommerhimmel noch eine ganze Weile diese seltsame Spannung aufrecht erhalten: zwischen medialem Funkeln von Bildschirmen und dem Aufblitzen der Münder und Augen jener, die einem auf dem Funkgelände begegnen. Vielleicht wird gerade dies sogar immerzu das Grundmuster meiner Erinnerung an dieses Städtchen Klagenfurt im südlichen Österreich bilden.