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Thailand - drei Jahre nach dem Putsch

18. September 2009

Bangkok, September 2006: Panzer rollen ins Stadtzentrum, überall sind auf einmal Soldaten. Sie besetzen Gebäude und Straßen. Kurz darauf ist der damalige Premier Thaksin Shinawatra entmachtet. Und heute?

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Rothemden (Foto: Holger Grafen)
Auch drei Jahre nach dem Putsch demonstrieren die "Rothemden" - sie wollen Ex-Präsident Thaksin zurückBild: Holger Grafen

Thaksins Anhänger lassen nicht locker: Immer wieder demonstrieren sie - mitten im Herzen Bangkoks. Wegen der Farbe ihrer T-Shirts werden sie "Rothemden" genannt. In den vergangenen drei Jahren haben sie "ihren" Thaksin Shinawatra nicht vergessen. Sie protestieren auch gegen die Putschisten von damals, die Thaksin am 19. September 2006 aus dem Amt gejagt hatten.

Thaksin - demokratisch oder korrupt?

Soldat auf Panzer (Foto: AP)
September 2006 - überall in Bangkok sind Soldaten und PanzerBild: AP

"Thaksin - unser Held der Demokratie" ist auf vielen Transparenten zu lesen. Dabei war der gestürzte Premier alles andere als das. Zwar war er haushoch gewählt worden, doch sein Führungsstil galt als rigoros. Seine Regierung wird für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Die Gegner werfen ihm allerdings noch etwas anderes vor: Korruption und Machtmissbrauch. Dabei ignorieren sie bewusst die Tatsache, dass Vetternwirtschaft und Bestechung von jeher im thailändischen System verankert sind.

Machtpolitisches Kalkül

Der gestürzte Premier Thakisn flieht 2006 nach London (Foto: AP)
Der gestürzte Premier Thakisn flieht 2006 nach LondonBild: AP

Der Staatsstreich von 2006 hatte rein machtpolitische Gründe: Thaksin und seine Clique neureicher Wirtschaftsbosse hatten die konservative Elite Thailands heraus gefordert. Genauer: das Militär, die Aristokraten und die Technokraten. Mit seinen Stammwählern, den armen Reisbauern und Tagelöhnern aus dem Norden und Nordosten, hatte Thaksin seine Macht gefestigt. Diese Armen bilden die Mehrheit der thailändischen Wählerschaft, aber deren Bedürfnisse und Alltagssorgen waren von anderen politischen Parteien jahrelang missachtet worden.

Dass Thaksin die breite Unterstützung der Landbevölkerung im Norden und Nordosten genoss, ärgerte die konservative Elite. Sie fürchteten um ihre Privilegien. Gegner des Ex-Premiers erklärten in aller Öffentlichkeit, die Armen seien von Thaksin gekauft worden und ohnehin zu dumm, um wählen zu dürfen.

Kluft zwischen Arm und Reich noch größer

Rothemden demonstrieren (Foto: AP)
2008 legten Demonstranten der Gelbhemden Bangkoks Flughäfen lahmBild: AP

Der Riss in der thailändischen Gesellschaft habe sich seit dem Putsch vertieft, vor allem die Spaltung zwischen den Privilegierten und Unterprivilegierten, sagt Sunai Phasuk von der Organisation "Human Rights Watch Thailand". "Die jetzige Situation zeigt sehr deutlich, dass ein Militärputsch nicht in der Lage ist, all die Krankheiten in Thailands Politik zu heilen", so der Menschenrechtler. Auch die Gewaltenteilung funktioniere keineswegs auf faire, transparente und unparteiische Art und Weise.

Vor allem die Justiz gilt als voreingenommen. Zwei Mal waren Thaksin-nahe Parteien per Gerichtsbeschluss aufgelöst worden. Der Vorwurf lautete: Wahlbetrug. Kritiker aber bezeichneten dies als "juristischen Coup". Denn Stimmenkauf und Wahlbetrug gibt es nachweislich in sämtlichen politischen Parteien. Außerdem wurde Thaksin, der ins Exil floh, wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilt.

"Rothemden" wollen Thaksin zurück

Rote Kisten mit Guards (Foto: Holger Grafen)
In diesen Kisten sind die Unterschriften der Rothemden. Sie fordern eine Begnadigung ThaksinsBild: Holger Grafen

Die Rothemden wollen den ehemaligen Regierungschef zurück in die Heimat holen. Deshalb haben sie eine Petition eingereicht, in der sie um eine Begnadigung Thaksins durch Thailands König Bhumibol Adulyadej bitten.

Doch die Roten haben mächtige Gegenspieler. Dazu gehört die sogenannte "Volksallianz für Demokratie", kurz PAD. Deren Anhänger kleiden sich in Gelb - jener Farbe, die Thailands Monarchen symbolisiert. Hinter der PAD steht die alteingesessene, konservative Ober- und Mittelschicht. Im politisch chaotischen Jahr 2008 besetzten die "Gelben" den Regierungssitz sowie die zwei Flughäfen Bangkoks. Sie trugen massiv dazu bei, die damalige Thaksin-treue Regierung und zwei ihrer Premierminister zu stürzen.

Aussöhnung nicht in Sicht

Eine nationale Aussöhnung sei derzeit nicht in Sicht, sagen viele Beobachter. "Wenn die jetzige Regierung versuchen würde, mit Thaksin zu verhandeln, dann würde sich die PAD dem auf jeden Fall widersetzen", sagt die Aktivistin und Medienrechtlerin Supinya Klangnarong. "Unter der einfachen Bevölkerung ist das politische Bewusstsein enorm gewachsen, aber dieser politische Konflikt hängt wesentlich mit den Machtspielen einiger elitärer Gruppen zusammen. Und die wollen nicht verlieren, sondern gewinnen."

Soldaten (Foto: AP)
Das Militär - heute eine Macht an der niemand vorbei kommtBild: AP

Premier Abhisit überfordert

Der jetzige Premier Abhisit Vejjajiva, Chef der von der "Demokratischen Partei" geführten Koalitionsregierung, hat dem Land zwar eine nationale Versöhnung versprochen. Doch Abhisit ist mit der Situation sichtlich überfordert. Zudem hat er ein Legitimationsproblem. Denn nicht das Volk hat ihn ins Amt gewählt. Vielmehr hatten im Dezember 2008 führende Militärs Druck ausgeübt, damit die neue Koalition aus "Demokratischer Partei" und Überläufern aus dem Thaksin-Lager überhaupt zustande kam.

Thailand heute: ein verdecktes Militärregime

Drei Jahre nach dem Putsch ist eines klar geworden: Das Militär bleibt die Macht, an der niemand vorbei kommt. "Es ist überhaupt keine Überraschung zu sehen, dass die Regierung eine lahme Ente geworden ist", kritisiert Sunai Phasuk von "Human Rights Watch Thailand". Er befürchtet, dass die jetzige Situation ein Vorzeichen für Thailands Zukunft sein könnte. "Das Militär wird weiterhin versuchen, sich in die Politik einzumischen. Was das Militär bevorzugt, sind Koalitionen schwacher politischer Parteien. Und einen Premierminister, der nach außen hin legitim und überzeugend wirkt, aber in Wirklichkeit keine politische Macht hat."

Wenn das wirklich so eintreffe, so Sunai Phasuk weiter, dann sei das keine strahlende Zukunft für die Demokratie, sondern für ein verdecktes Militärregime. Und das sei sehr besorgniserregend. Dass es irgendwann zu einem neuen Putsch kommen könnte, mag er - wie so viele Beobachter - nicht ausschließen.

Autor: Nicola Glass

Redaktion: Miriam Klaussner