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"Ein Fehler und du verlierst"

10. August 2016

Schnell, kompakt, zuschauerfreundlich: Rugby tut beim Olympia-Comeback nach 92 Jahren mit seiner 7er Variante alles, um Publikum und vor allem das IOC zu überzeugen. Favorit ist eine kleine Inselgruppe aus dem Pazifik.

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Der Japaner Lomano Lava Lemeki (l.) un der Neuseeländer Rieko Ioane (r.) stehen sich im Rugbyspiel gegenüber (Foto: Reuters/A. Bianchi)
Bild: Reuters/A. Bianchi

Was für ein Auftakt: Zu Beginn des Olympischen Rugbyturniers schlägt Außenseiter Japan den großen Goldfavoriten Neuseeland. Das ist zur Verdeutlichung in etwa so, wie wenn im Fußball, sagen wir, Ecuador im ersten WM-Spiel Deutschland schlagen würde. Eine kleine Sensation, die selbst die Japaner nicht begreifen können: "Es war unglaublich. Wir hätten niemals gedacht hier den großen Goldanwärter schlagen zu können. Um ehrlich zu sein bin ich gerade richtig geschockt", sagte Japans Spieler Lomano Lemeki. Die Freude kannte bei den Asiaten keine Grenzen. Die Überraschung im Stadion von Deodoro ist zugleich ein Vorgeschmack auf das, was uns beim olympischen Rugbyturnier noch erwartet.

Ein schaler Kompromiss? Mitnichten

"Wir haben insbesondere bei den Männern ein sehr starkes und ausgeglichenes Teilnehmerfeld am Start. Fast alle Mannschaften haben hier Chancen auf eine Medaille", sagt Mark Egan, Wettkampfchef des Welt-Rugby-Verbandes IRB, im Gespräch mit der DW. "Ein Fehler und du verlierst, das macht die 7er-Variante so aufregend." Das war das Wahlversprechen der Rugby-Verantwortlichen, die es mit der Aussicht auf schnelle, abwechslungsreiche Spiele schafften, nach 92-jähriger Pause zu Olympia zurückzukehren. Auch wenn es vielen zunächst wie ein schaler Kompromiss vorkam, dafür auf die traditionelle 15-Spieler-Variante verzichten zu müssen, ist die Rückkehr schon jetzt ein Gewinn für den Rugbysport.

Rugby-Weltverbandspräsident Bill Beaumont im Porträt (Foto: picture alliance/AP Photo/B. Lawless)
Rugby-Weltverbandspräsident Bill BeaumontBild: picture alliance/AP Photo/B. Lawless

"Olympia wirkt wie ein Kickstart für unsere Disziplin. Das Interesse an Rugby ist in vielen Ländern der Welt zuletzt gestiegen, zum Beispiel in Japan, dem Gastgeber der nächsten Spiele", hat Rugby-Weltverbandspräsident Bill Beaumont beobachtet. Beaumont ist eine Erscheinung. Ein großer Mann, mit riesigen Händen und stoischem Blick. Er hat viel vor mit seinem Sport, der in manchen Ländern Volkssport, in anderen Ländern aber nur Nischendisziplin ist. "Es ist eine fantastische Chance, Rugby global weiterzuentwickeln." Natürlich haben solche Sätze einen klaren Adressaten: die IOC-Führung. Die will und muss man überzeugen, dass man den Platz in der "olympischen Familie" auch weiterhin verdient hat. Chef-Olympionike Thomas Bach zeigte sich vor Ort im Stadion von Deodoro jedenfalls schon einigermaßen beeindruckt von der Rasanz des Spiels.

Der letzte Olympia-Auftritt endete in einer Rauferei

Die Spielidee des 7er Rugbys ist überzeugend: Es ist dasselbe Spielfeld, dasselbe Ei, aber: die Teams sind nur halb so groß und die Spielzeit beträgt gerade mal ein Sechstel der 15er Variante, kompakte 14 Minuten. Das eröffnet auf dem Feld Räume und reduziert die Erholungsphasen zwischen den Spielen, ermöglicht ein kompaktes Turnier. 7er Rugby zeigt weniger Tacklings, dafür aber mehr Sprints und schnelle Spielzüge. Und Mark Egan ist auch ehrlich: "Im 15er Rugby dauert die WM sieben Wochen. Das hätte organisatorisch gar nicht in den olympischen Zeitplan gepasst." Vielleicht aber auch wegen der rauen Spielweise. 1924, beim letzten Olympiagastspiel des 15er Rugbys bei den Spielen in Paris, endete das Finale in einer großen Rauferei zwischen Spielern und Zuschauern. Die Olympiamacher wollten solche Szenen nie wieder sehen und warfen Rugby raus.

Die Rugby-Herren-Nationalmannschaft aus Fidschi (Foto: picture-alliance/dpa/C. P. Tesson)
Die Rugby-Männer aus Fidschi sind Stars, nicht nur auf den 332 Fidschi-InselnBild: picture-alliance/dpa/C. P. Tesson

Nun sind die breitschultrigen Athleten zurück und beeindrucken im olympischen Dorf so manchen anderen Sportler. Golf-Star Martin Kaymer aus Deutschland gab sich zumindest mächtig eingeschüchtert: "Als ich neben den Rugbyspielern Krafttraining machte, fragte ich mich: Was habe ich die letzten zehn Jahre eigentlich im Fitnessstudio gemacht?" Doch nicht nur die Spieler, sondern auch die Partien werden zum Hingucker, ist Wettkampfchef Egan überzeugt. "Wenn die Menschen weltweit die Bilder von den Spielen hier bei Olympia sehen, werden sie begeistert sein", so der Ire, der den positiven Trend keineswegs auf die Männer beschränkt sieht.

Um mindestens zehn Prozent sei die Zahl der weiblichen Spielerinnen in den letzten Jahren gestiegen. Und auch das Finale von Rio war Werbung in eigener Sache: Australiens Frauen gewannen das Prestigeduell gegen Neuseeland und holten damit das erste olympische Rugby-Gold seit 92 Jahren. Bei den Männern ist ein Land Favorit, das dem Rugbyturnier geradezu entgegenfiebert: Fidschi. Für die 900.000 Einwohner des Inseltstaates ist Rugby Nationalsport und die Erwartungen sind riesig. Noch nie hat ein Sportler von den insgesamt 332 Fidschi-Inseln eine Olympia-Medaille gewonnen, weder bei Sommer- und schon gar nicht bei Winterspielen. Hier in Rio soll die große Stunde des kleinen Landes schlagen.