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Ruh'n in Frieden alle Seelen ...

24. November 2002
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Um die Grabstätten zieht Dunst und verflüchtigt sich. Krähenschreie durchbrechen die Stille im dichten Wald. An diesem verwunschenen Ort mitten im Berliner Grunewald ist alles vergänglich - auch die Erinnerung an die Toten. Mehr als 2000 Selbstmörder aus 230 Jahren liegen hier auf dem "Friedhof der Namenlosen". Fast alle sind für immer vergessen. Viele sind von ihren Verwandten, denen gesellschaftliche Ächtung drohte, in monddunklen Nächten eilig verscharrt worden.

Lange Zeit war Selbstmord in Deutschland strafbar. Leichen der in den Freitod gegangenen Menschen landeten auf den Seziertischen der Anatomie. Dies konnten viele Verwandte nicht ertragen. Sie legten selbst Hand an und begruben ihre Toten ohne den Segen der Kirche oder den Stempel des Staates illegal. Der Ort sprach sich rasch herum. Der Boden mitten im Grunewald ist locker und leicht, die Stätte im dichten Wald vor Blicken gut geschützt. Sie ist auch heute noch schwer zu entdecken.

Viele Selbstmörder wurden "Opfer der Kälte". Dieser auch in Zeitungsanzeigen des 19. Jahrhunderts gewählte Begriff steht für "Tod durch [freiwilliges] Ertrinken". In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Friedhof auch zur letzten Ruhestätte vieler nicht durch eigene Hand ums Leben gekommener Menschen. Doch selbst heute noch verfügen Selbstmörder in ihren Abschiedsbriefen ihr Begräbnis an diesem Ort. Auf dem Friedhof "Grunewald Forst, Im Jagen 135" ließen sich auch viele Förster und Oberförster zur letzten Ruhe betten. Auf dem Grabstein eines Oberförsters steht kurz und knapp: "Jagd vorbei!"