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Rumänien: Kampf gegen Korruption spaltet politische Lager

4. Oktober 2007

Seit Monaten steckt Rumänien in einer tiefen politischen Krise. Am Mittwoch überstand die Regierung Tariceanu ein Misstrauensvotum, das die oppositionellen Sozialdemokraten eingebracht hatten.

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Misstrauensantrag in Bukarest abgewendet (3.10.2007)Bild: Cristian Stefanescu

Kaum hatte Rumänien die Feiern anlässlich des EU-Beitritts am 1. Januar hinter sich, da brach eine seit längerem schwelende politische Krise im Land offen aus. Sie ist inzwischen zur längsten und schwersten politischen Krise der letzten Jahre geworden. Im Kern geht es vor allem um die Justizreform in Rumänien und speziell um den Kampf gegen Korruption – ein Thema, bei dem Politiker aller Parteien viel zu verlieren haben. Denn viele von ihnen stehen unter dem Verdacht, dass sie ihre politische Position ausnutzen, um sich zu bereichern. Die Krise habe das Land gelähmt, meint der angesehene Politologe Cristian Pirvulescu: "Es überrascht, dass ein Land, das so lange auf seine EU-Mitgliedschaft gewartet hat, nun so abgestürzt ist." Die Innenpolitik überlagere alles, die EU bliebe etwas Abstraktes. "Waren die Rumänen zu Jahresanfang optimistisch, so hat die Krise sie zu Pessimisten gemacht", so Pirvulescu.

Die Ursprünge der Krise reichen bis zum Jahresende 2004 zurück. Damals wurden die Wendekommunisten der Sozialdemokratischen Partei (PSD) abgewählt. Viele von ihnen stehen unter Korruptionsverdacht. In der neuen Regierungskoalition führte die parteilose Justizministerin Monica Macovei einen spektakulären und bedingungslosen Kampf gegen Korruption auf allen Ebenen, vor allem aber in der hohen Politik. Unterstützt wurde sie darin von Staatspräsident Traian Basescu. Die Justizministerin wurde jedoch von der eigenen Regierung immer wieder sabotiert und im April dieses Jahres – also wohlweislich erst nach dem EU-Beitritt – aus der Regierung geworfen. Zugleich beraumte eine Parlamentsmehrheit – in einer seltsamen Allianz aus Wendekommunisten, Ultranationalisten, Liberalen und Vertretern der ungarischen Minderheit – ein Referendum über die Absetzung des Staatspräsidenten an. Dabei stimmten im Mai dieses Jahres jedoch 75 Prozent dafür, dass Traian Basescu weiterhin im Amt bleibt.

Antikorruptionsbehörde fürchtet Stopp

Die Krise hat sich seitdem nur vertieft. Das neueste Kapitel ist der Krieg zwischen dem liberalen Justizminister Tudor Chiuariu und der Nationalen Anti-Korruptionsbehörde DNA. Die Behörde ermittelt in Korruptionsfällen im Staats- und Verwaltungsapparat sowie unter Politikern. Unter den Betreffenden sind seit kurzem mehrere Minister der gegenwärtigen Regierung sowie mehrere ehemalige Minister, und auch gegen den Justizminister selbst soll wegen eines dubiosen Grundstücksgeschäftes ermittelt werden. Chiuariu warf der Antikorruptionsbehörde vor, politisch motivierte Ermittlungen zu führen. Der DNA-Chef Daniel Morar sieht seine Behörde in Gefahr. "Die Einstellung des Justizministers gegenüber unserer Aktivität zeigt, dass er ermittelnde Staatsanwälte absetzen lassen will. Es ist, gelinde gesagt, keine friedliche Einstellung." Die Staatsanwälte könnten zwar nicht einfach so ausgewechselt werden, wie es einige gern hätten, "aber den Politikern bleibt die Möglichkeit, den Kampf gegen die Korruption zu stoppen, indem sie die Gesetze ändern", sagt Morar.

Hoffnungsträger Migranten?

Die Europäische Kommission in Brüssel drohte Rumänien erst jüngst wieder Sanktionen für den Fall an, dass der Kampf gegen Korruption nicht konsequent weitergeführt werde. Doch nicht nur der wird von der innenpolitischen Krise verzögert, sondern der gesamte Integrationsprozess Rumäniens. Der Staatssekretär im Außenministerium Anton Niculescu, verantwortlich für internationale Beziehungen, drückt das diplomatisch aus: "Wir sind noch in der Phase der Angleichung unserer Gesetzgebung an die EU-Gesetzgebung. Aber von der Angleichung bis zur effizienten Anwendung ist es ein sehr weiter Weg. Das ist ein empfindlicher Bereich, in dem die Politik ein gewichtiges Wort mitzureden hat."

Der Politologe Cristian Pirvulescu sieht zwar keine unmittelbare Lösung für die politische Krise in Rumänien. Im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute sei er selbst jedoch kein Pessimist. Er setzt auf die hohe Zahl von Rumänen, die im Westen arbeiten, sei es auch nur zeitweise. Dies hinterlasse Spuren in der Gesellschaft. Denn schließlich handle es sich um etwa zwei Millionen Rumänien. Sie seien in der Lage, nicht zuletzt auch durch ihren wirtschaftlichen Einfluss, die Gesellschaft von innen zu verändern. "Diese wichtige und sehr aktive Minderheit, zehn Prozent der Rumänen, beeinflusst die Bevölkerung zuhause. Der Druck auf die politische Klasse zu Veränderung und Anpassung ist sehr groß. Das ist eine positive Sache, die viele westliche Beobachter nicht sehen. Die rumänische Gesellschaft verändert sich ohne die Hilfe der politischen Klasse."

Keno Verseck
DW-RADIO/Rumänisch, 1.10.2007, Fokus Ost-Südost