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Rumänien und Bulgarien – Bilanz ein Jahr nach dem EU-Beitritt

3. Januar 2008

Rumänen und Bulgaren erhofften sich vom EU-Beitritt mehr Wohlstand, eine faire Justiz und weniger Korruption. Was ist nach einem Jahr Mitgliedschaft aus den Hoffnungen geworden?

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Bild: AP Graphics

Ein Jahr nach dem EU-Beitritt sieht die Bilanz für Rumänien zwiespältig aus: Die Armutsgrenze hat sich nur wenig verschoben, die Kluft zwischen arm und reich ist sogar größer geworden. Während die gut qualifizierten Fachkräfte fast das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr verdienen, gibt es immer mehr Verlierer aus den Reihen der schwach ausgebildeten Menschen, die nur den Mindestlohn von rund 130 Euro beziehen.

Stagnierende Reformen

Auch die von der EU-Kommission mehrmals angemahnte Justizreform stagniert. Die Europäische Kommission droht nun mit finanziellen Konsequenzen. Diesbezüglich glauben 80 Prozent der Rumänen weiterhin, dass Korruption im beruflichen und privaten Sektor notwendig sei. Viel zu oft müssen Menschen Teile ihres Geldes für Leistungen aufbringen, die eigentlich umsonst sein sollten. Dazu zählt zum Beispiel der Arztbesuch. Auch das Bildungssystem weist große Lücken auf. Die Lehrer sind weiterhin unterbezahlt.

Den Beitritt zur EU bewerten die Bürger unterschiedlich. Eine Frau findet: ”Der

Lebensstandard ist nicht einmal konstant geblieben, er ist gesunken.“ Ein Mann meint dagegen: ”Für mich ist es gut, ich bin zufrieden. Seit dem EU-Beitritt habe ich mich sowohl auf beruflicher als auch auf persönlicher Ebene weiterentwickelt.” Eine Frau wendet ein: ”Ich sehe aber, dass die meisten alten Leute, vor allem aber die Jugendlichen nicht zufrieden sind. Zufrieden sind vor allem die, die an der Macht sind, und ihre Leute.” Ein Mann begrüßt wiederum die Reisefreiheit und die niedrigeren Preise für elektronische Haushaltsgeräte. Ein anderer ist indes pessimistisch: ”Armut, Schulden, viel Arbeit, wenig Bezahlung und das wäre es auch schon. Wir erwarten nichts von der EU, die sollten uns besser in Ruhe lassen.”

Verhältnis zur EU noch positiv

Ein Jahr nach dem EU-Beitritt drücken die Rumänen ihre Enttäuschung aus. Sie sind unzufrieden mit der aktuellen Lage, haben allerdings die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgegeben. Laut dem jüngsten Meinungsbarometer glaubt jeder dritte Befragte, dass er in fünf Jahren besser oder viel besser leben werde als heute. Dagegen glaubt nur jeder siebte Befragte, dass sich die Lebensbedingungen künftig verschlechtern werden.

Der Meinungsforscher Cristian Parvulescu erwähnt diesbezüglich zwei Perspektiven: ”Betrachten wir das Ganze mit Bezug auf die EU, dann sind die Rumänen weiterhin optimistisch. Wenn wir aber die Entwicklung in Rumänien betrachten, dann sind die Rumänen eher pessimistisch. Dies liegt an den innenpolitischen Spannungen zwischen Präsident, Regierung und Ministerpräsident.“ Auch die zwei aufeinanderfolgenden Referenden – eins zur Bestätigung von Präsident Basescu und eins über eine Änderung des Wahlrechts – hätten offenbar eine Ermüdung der Bürger, eine Haltung der Ablehnung gegenüber den politischen Ereignissen verursacht. Und dieser Pessimismus könnte sich nach Meinung von Parvulescu auch auf das Verhältnis zur EU auswirken, denn die Rumänen fassten die EU als eine Institution auf, die das Verhalten der rumänischen Politiker beeinflussen kann.

Politikmüdigkeit der Bürger

Halten die derzeitigen Konflikte und politischen Spannungen in Rumänien weiter an, so die Einschätzung, werden sich immer weniger Rumänen aktiv am politischen Geschehen beteiligen. Davon zeugt auch die geringe Wahlbeteiligung bei den jüngsten Europawahlen am 25. November. Nicht einmal jeder dritte wahlberechtigte Rumäne ging zur Wahl. Dazu der Meinungsforscher Cristian Parvulescu: ”Diese Wahl war ein Sonderfall, weil bei der Europawahl zugleich ein Referendum stattfand. Und dieses vom Staatspräsidenten Traian Basescu veranlasste Referendum hat zur Demotivierung vieler Rumänen beigetragen.'

Das letzte Meinungsbarometer zeigt, dass mehr als zwei Drittel der rumänischen Bürger die Meinung vertreten, sie seien nicht kompetent genug, um selbst politisch mitzuwirken. Verheerender noch ist die Ansicht von 80 Prozent der Befragten, gewöhnliche Bürger könnten das politische System nicht beeinflussen. Aus diesem Grund sind die Bürger zwar sozial engagiert, halten sich aber von der Politik fern, die Bildung einer aktiven politischen und demokratischen Kultur findet somit kaum statt.

Adina Olaru