Rumäniens Präsident fordert Justiz zu mehr Verantwortung auf
27. Oktober 2005Abgesehen von euroskeptischen Meinungen, die einige politische Beobachter gelegentlich äußern, sprach fast niemand in Rumänien bislang offen über die Kosten des EU-Beitritts. Nur wenige Politiker haben ausgesprochen, dass gerade die ersten Jahre der EU-Mitgliedschaft Rumäniens auch Kosten mit sich bringen.
Auch Kosten des EU-Beitritts im Blick
"Die wahren Vorteile des Beitrittsprozesses werden wir erst dann feststellen, wenn wir den europäischen Anforderungen in allen Hinsichten entsprechen werden. Und das wird nicht am 1. Januar 2007 geschehen, sondern ein paar Jahre nach dem Beitritt" erklärte nun der rumänische Präsident Basescu, nachdem die EU-Kommission am 25. Oktober 2005 den Fortschrittsbericht zu Rumänien und Bulgarien veröffentlicht hatte.
Präsident Basescu ist dennoch kein Euroskeptiker, vielmehr vertritt er eine nüchterne Einstellung gegenüber der Integration. Er nannte deshalb auch die unmittelbaren Vorteile des Beitritts, und zwar hinsichtlich der Finanzierung von Infrastruktur-Programmen, Landwirtschaftsprojekten, Ausbildungs- und Forschungsprogrammen usw.
Kampf gegen die Korruption
Zugleich kündigte der Präsident verstärkte Reformanstrengungen an, um die Beitrittskriterien zu erfüllen. Er sagte: "Meiner Ansicht nach haben wir in Rumänien zurzeit die beste Regierung seit 1990. Ich werde Acht geben, dass keine Interessengruppe den Kampf gegen die Korruption gefährdet, als zuverlässiger Partner der Regierung, sowohl vor dem EU-Beitritt, als auch und insbesondere in der schwierigen Zeit danach".
Kritik an der Justiz
Das Hauptanliegen des rumänischen Präsidenten ist der Kampf gegen die Korruption. Er forderte die Justiz zu mehr Verantwortung auf. "Ich wende mich öffentlich an die Staatsanwälte und Richter, an diejenigen nämlich, die der Regierung oder dem Präsidenten nicht unterstehen", erklärte Basescu. Das Schicksal Rumäniens liegt in ihren Händen. Die Ergebnisse der letzten Tage beweisen, dass die Justizbehörden ihre Verantwortung nicht ernst genug wahrgenommen haben. Ich wende mich nun an jeden Staatsanwalt, an jeden Polizisten und an jeden Richter, denn das Scheitern der Justiz wäre letztendlich ein großer Misserfolg Rumäniens."
In Bukarest zweifeln Beobachter jedoch daran, ob die Justiz ohne einen autoritären Eingriff durch die Regierung wirklich funktionsfähig werden kann. Gleichzeitig würde ein solcher staatlicher Eingriff jedoch den demokratischen Charakter der Reformen in Frage stellen.
Horatiu Pepine, Bukarest
DW-RADIO/Rumänisch, 26.10.05, Fokus Ost-Südost