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Rumänisches Bauernopfer?

6. Februar 2012

Der rumänische Regierungschef Emil Boc ist zusammen mit seinem gesamten Kabinett zurückgetreten. Er wolle "die politische und soziale Atmosphäre in seinem Lande entspannen“, so begründete er seine Entscheidung.

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Der rumänische Prämierminister Emil Boc im Parlament (Foto: REUTERS/Bogdan Cristel/Files)
Der rumänische Prämierminister Emil Boc ist zurückgetrettenBild: Reuters

Der Schritt erfolgt nicht unerwartet. Die dramatische Wendung kam nach wochenlangen, zum Teil gewalttätigen Protesten und Ausschreitungen gegen eine Regierung, die dem Land einschneidende Sparmaßnahmen beschert hatte. Die äußerst strenge Führung des öffentlichen Haushalts hatte einerseits im Ausland – beim Internationalen Währungsfonds, in Brüssel oder auch in Berlin - für viel Lob gesorgt. Im Innern hingegen hatte dieser harte Sparkurs nicht nur wirtschaftliche Stabilität und ein gesundes Wachstum erzeugt, sondern auch enorme soziale Spannungen verursacht.

Die wachsende Unzufriedenheit hatte kürzlich ihren Höhepunkt in den von einer schlecht vorbereiteten Gesundheitsreform ausgelösten Straßenschlachten erreicht. Das spiegelte sich dann auch in den katastrophalen Umfrage-Ergebnissen für Regierung und Staatspräsident Traian Basescu wieder. Nicht verwunderlich, dass die galoppierende Erosion der Sympathiewerte den Druck auf den Premierminister auch aus den Reihen der eigenen Partei (PDL) massiv erhöht hat. Denn 2012 ist das Wahljahr, im Herbst stehen sowohl Lokal- als auch Parlamentswahlen an.

Proteste in Bukarest (25 Januar 2012) (Foto: EPA/ROBERT GHEMENT (c) dpa - Bildfunk)
Wachsende Unzufriedenheit in RumänienBild: picture-alliance/dpa

Persönliche Animositäten und gegenseitiges Misstrauen

Doch viele Beobachter befürchten jetzt, dass dieses von der Opposition schon lange und lauthals geforderte Einknicken des Regierungschefs die Gefahr von Instabilität, Chaos und Anarchie im Land nur zusätzlich verstärkt. Ein Appell Emil Bocs an das Parlament, zügig einer Nachfolgeregierung das Vertrauen auszusprechen, hat kaum Chancen, umgesetzt zu werden. Zu groß sind persönliche Animositäten und gegenseitiges Misstrauen zwischen Regierenden und Opposition.

Zwar wurde der bisherige Justizminister, Catalin Predoiu, überraschend schnell vom Präsidenten als Übergangs-Regierungschef nominiert. Predoiu gilt auch für Teile der Opposition als ein akzeptabler Politiker. Doch ob das soziale-liberale Wahlbündnis diese Übergangslösung als Ersatz für die wiederholt eingeforderten vorgezogenen Neuwahlen annehmen wird, ist zweifelhaft.

Proteste in Rumänien gegen Gesundheitsreform (Foto: EPA/ROBERT GHEMENT (c) dpa - Bildfunk)
Proteste in Rumänien gegen GesundheitsreformBild: picture-alliance/dpa

Gute Ergebnisse

Am Ende seines Mandats hätte Boc eigentlich allen Grund, mit der Leistung seines Kabinetts zufrieden zu sein. Mitten in der Krise hat es Rumänien, das einstige Sorgenkind der EU, geschafft, ein relativ stabiler finanzpolitischer Fels in der europäischen Brandung zu sein und sich sogar eines gewissen wirtschaftlichen Wachstums zu erfreuen.

Um den andauernden Protesten die Spitze zu nehmen, aber auch um seine eigene konservative Partei im Wahlkampf nicht stärker zu belasten, ist Boc nun zum Bauernopfer geworden. Ob sich die rumänischen Konservativen dadurch mehr als nur eine Atempause verschafft haben, bleibt abzuwarten.

Autor: Peter Janku
Redaktion: Robert Schwartz