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Rumäniens EU-Beitritt

11. Dezember 2002

- Schafft Bukarest den Anschluss bis 2007?

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Köln, 10.12.2002, DW-radio / Rumänisch, Christian Stefanescu und Robert Schwartz

Rumänien gehört mit Bulgarien zu den beiden südosteuropäischen Nachzüglern im EU-Erweiterungsprozess. Beiden Ländern wurde von der EU ein Beitritt im Jahre 2007 in Aussicht gestellt, während die übrigen zehn Kandidaten - der Sonderfall Türkei bleibt hier ausgeklammert - bereits im Jahr 2004 die begehrte Mitgliedschaft erhalten sollen.

Rumänien gehört zusammen mit Bulgarien zu jenen EU-Kandidatenstaaten, bei denen der Rausch der Demokratie nach dem Sturz des totalitären Regimes offensichtlich länger gedauert hat als bei den anderen. Ohne eine klare Politik seitens der EU hätte es auch heute keine günstige internationale Konjunktur für den baldigen Beitritt dieser Staaten gegeben. Rumänien belegt hinter Bulgarien den letzten Platz in der Reihe der 12 Kandidaten, hat aber nach Beginn der Beitrittsverhandlungen 2000 erhebliche Unterstützung aus Brüssel erhalten, um die EU-Kriterien zu erfüllen.

Für Rumänien, das sich selbst den EU-Beitritt für 2007 zum Ziel gesetzt hat, soll auf dem Gipfel in Kopenhagen (11.-12.12) eine verstärkte Vor-Beitrittsstrategie beschlossen werden. Nach dem erzielten EU-Kompromiss haben sowohl Rumänien als auch Bulgarien die Chance, der EU am 1. Januar 2007 beizutreten. Für die anderen ex-kommunistischen Kandidaten, die sowohl den Schritt von Planwirtschaft und ökonomischem Zentralismus zur freien Marktwirtschaft als auch den Wandel von Diktatur zur Demokratie schneller vollzogen haben, wird der EU-Beitritt bereits 2004 zur Wirklichkeit.

Die EU-Mitgliedschaft hat Rumänien 1995 beantragt. Zwei Jahre später eröffnete die Europäische Kommission den Prozess zur strukturellen Reform des Landes. Zwar wurde Bukarest eine gewisse politische Stabilität bescheinigt, von einer funktionierenden Marktwirtschaft war es aber noch weit entfernt. Erst 2000 begannen die eigentlichen Beitrittsverhandlungen. Bisher hat Rumänien erst die Hälfte der insgesamt 30 Kapitel des Beitritts-Katalogs erledigt, nimmt sich aber vor, alle Kapitel bis Anfang 2004 erfolgreich abzuschließen.

Beim EU-Gipfel in Kopenhagen hofft Rumänien auf einen klaren Terminkalender, der auch das selbst gesetzte Beitrittsdatum beinhaltet. Es wird sich zeigen, wie realistisch diese Vorstellungen der sozial-demokratischen Regierung unter Ministerpräsident Adrian Nastase sind. Die rumänische Europa-Ministerin Hildegard Puwak sieht ihr Land schon seit längerer Zeit in der europäischen Familie:

"Rumänien ist ein europäisches Land. Es hat zum demokratischen Raum Europas in einer bestimmten Zeit seiner Geschichte gehört. Die europäischen Werte sind uns auch heute gegenwärtig. Deshalb ist die Wiedervereinigung Europas unter Einbeziehung Rumäniens die einzige Alternative für die Zukunft des Landes."

Auch die Statistik scheint den von Bukarest eingeschlagenen Kurs zu belegen: für das Bruttoinlandsprodukt wird im laufenden Jahr ein Wachstum von 4,4 Prozent vorausgesagt (2001: 5,2 Prozent), die Inflationsrate soll unter 22 Prozent betragen (2001: 35 Prozent), die Arbeitslosigkeit liegt unter zehn Prozent. Auch die internationalen Rating-Agenturen haben Rumänien in diesem Jahr besser eingestuft. Die kürzlich verabschiedeten Gesetze über Mehrwert- und Gewinnsteuer haben das Steuersystem und das Geschäftsklima im Land verbessert. Für Rumänien kommt es jetzt darauf an, die wirtschaftliche Unstrukturierung konsequent weiterzuführen, um das Wachstum dauerhaft zu sichern.

Hinzu kommt, dass sich mit der im November in Prag beschlossenen Aufnahme des Landes in die NATO neue sicherheitspolitische Chancen zur Stabilisierung Südosteuropas eröffnet haben. Rumänien mit seinen 22,5 Millionen Einwohnern ist das größte Land in der Region und sieht sich als Stabilitätsfaktor im Balkanraum. Die Zugehörigkeit zum westlichen Verteidigungsbündnis wird von den Rumänen als Beginn einer neuen Ära betrachtet - und sicherlich auch als Auftrieb für die konsequente Weiterführung der Reformen in Politik und Wirtschaft sowie für ausländische Investitionen, die letztendlich einen höheren Lebensstandard garantieren. Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen liegt in Rumänien bei rund 150 Euro - in der EU sind es 1.800 Euro.

Die in den letzten Jahren verzeichneten Erfolge sind sicherlich auch der Konsequenz zuzuschreiben, mit der die EU den Reformprozess des Landes eingefordert und zugleich gefördert hat. Trotzdem bleiben drei große Probleme, die zur Zeit nur schwer lösbar sind: eine flächendeckende Korruption, eine oft von der Politik abhängige Justiz und die immer noch fehlende funktionsfähige Marktwirtschaft.

Ohne Hilfe aus Deutschland und der EU wird Rumänien nur schwer den Anschluss schaffen. Das weiß auch Außenminister Mircea Geoana:

"Wir wünschen uns die besten Beziehungen zu Deutschland, zu Europa, um Rumänien wieder dahin zu bringen, wo es zwischen den beiden Weltkriegen war; um den Traum der Rumänen - die Rückkehr nach Europa - in einigen Jahren wahr werden zu lassen."

In Kopenhagen wird Rumänien eine klare Strategie und voraussichtlich auch einen genauen Terminkalender erhalten. Erst dann beginnt der wahre Kampf des Landes um die EU-Integration - ein Kampf mit der Mentalität im eigenen System. Das Rennen um einen Platz in Europa wird letztendlich von der Entschiedenheit abhängen, mit der Bukarest auch weiterhin seine Hausaufgaben erledigt. (fp)