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Ruprecht Polenz: "Putin kann nicht von der Macht lassen"

4. Oktober 2007

Der russische Präsident Wladimir Putin will bei den Parlamentswahlen kandidieren. Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, bezieht kritisch Stellung zu diesen Plänen.

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Ruprecht Polenz sieht Demokratie gefährdetBild: DW-TV

DW-RADIO: Die Mehrheit des russischen Volkes steht hinter Putin. Er hat Russland durchaus erfolgreich geführt. Auch die politischen Gegner in seinem Land begrüßen dessen Vorhaben. Sie auch?

Ruprecht Polenz: Ich sehe vor allen Dingen das Problem, dass die Verfassung immer mehr nur noch formal machtverteilend wirkt, dass die Macht sich immer mehr auf Putin als Person konzentriert – egal, welches Amt er ausübt. Er kann von der Macht nicht lassen; er will von ihr nicht lassen. Und das lässt für den Zustand der russischen Demokratie nicht allzu hoffnungsfroh in die Zukunft sehen.

Aber bisher lag doch die Macht Russlands beim Präsidenten. Mit Putins Vorhaben könnte die Macht neu verteilt werden, auf Kreml und Parlament. Was wäre denn daran verwerflich?

Das wäre sicherlich ein Fortschritt, wenn sie denn im Rahmen einer normalen Verfassungsänderung erfolgte. Denn in der Tat gibt die russische Präsidialverfassung dem Präsidenten eine sehr umfassende Herrschaftsbefugnis. Aber wir haben doch jetzt alle das Gefühl, dass Putin auch den Präsidenten selbst aussucht und dabei eine Figur wählen wird, die ihm als Ministerpräsidenten nicht sehr in die Quere kommt. Das alles ist ja nicht ein System von "Checks and Balances", von verteilten Machtgleichgewichten in einer Verfassung, sondern es zeigt, wie sehr sich inzwischen die Gewichte in Russland in den Kreml verschoben haben, auf die Person Putin hin.

Aber warum, Herr Polenz, sollte denn so ein erfolgreicher Politiker wie Putin von der Politbühne abtreten?

Er sollte nicht von der Politbühne abtreten, aber er hat zunächst einmal die Verfassung zu respektieren. Demnach kann er nicht ein drittes Mal Präsident sein. Wenn er aber dann de facto ein Amt anstrebt, was ihn nach der Konstellation, die sich jetzt abzeichnet, mit im Grunde den gleichen Befugnissen ausstatten wird – das ist ja die Erwartung, die sich mit dem Schachzug verbindet -, dann wird die Verfassung zwar formal eingehalten, aber de facto letztlich doch umgangen. Die Tatsache, dass die russische Bevölkerung mit der Sache einverstanden ist, dass die Umfragen so sind wie sie sind, das muss man etwas anders bewerten als man Meinungsumfragen im Westen bewertet. Denn Kritik an Putin, die gibt es sozusagen über die Medien nicht zu vernehmen, denn die sind alle in der Hand des Kreml."

Das Gespräch führte Karin Jäger
DW-RADIO, 3.10.2007, Fokus Ost-Südost