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Russische Krähen über dem Kanzleramt

Judith Hartl19. Januar 2004

Wären jetzt Bundestagswahlen, würde laut neustem Politbarometer die Union haushoch gewinnen. Die SPD dagegen dümpelt weiterhin im Keller. Kanzler Schröder liegt in der Beliebtheit abgeschlagen hinter Merkel und Stoiber.

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Im Winter quartieren sich unzählige russische Krähen in Berlin ein. Beim Kanzler scheinen sie sich besonders wohl zu fühlen. Sind sie vielleicht so etwas wie ein Beliebtheits-Indikator?

Sie kommen, wenn es dunkel wird. Zu tausenden, zu zehntausenden. Rabenvögel, Krähen, die in riesigen Schwärmen johlend durch Berlin ziehen. Aber halt - nicht durch ganz Berlin. Auffällig ist, wie gerne die schwarzen Vögel über dem Regierungsviertel herumflattern. Und sich schnatternd und kreischend auf des Bundeskanzlers heiligen Hallen niederlassen.

Da funkelte das Kanzleramt eben noch strahlend schön in der winterlichen Abendsonne und - hast du‘s nicht gesehen – kann man es unter unzähligem krächzendem Federvieh nur noch erahnen. Der Anblick ist erschütternd. Unweigerlich denkt man an Alfred Hitchcocks Film "Die Vögel" – und macht sich Sorgen um den Kanzler. Gerhard Schröder – umzingelt von Galgenvögel, die von Intelligenz und Gerissenheit nur so strotzen sollen.

Es scheint fast so, als wollten sie ihm sagen – krächz, kreisch - schau an, je mehr wir sind, desto unbeliebter bist du und desto tiefer geht’s mit deiner Partei, der SPD, in den Keller. Kreisch, krächz. Ende der Woche waren es wieder unzählige Krähen, und prompt sackte Schröder laut Politbarometer in der Gunst der Wähler noch weiter ab, trotz Reformen, trotz Steuererleichterung.

Zwar sind Hessens Ministerpräsident Roland Koch und FDP-Chef Guido Westerwelle noch unbeliebter, aber kann das ein Trost sein für den Kanzler? Wahrscheinlich prügelt er im Geiste gewaltig auf das arme schwarze Federvieh ein, auf die mistigen Krähen. Denn zum einen: sein Vize Joschka Fischer ist wie immer der beliebtste Politiker. Gut, okay, ist halt so. Aber dann - das muss wehtun wie ein Krähenhieb - Platz zwei: Angela Merkel, Platz drei der dröge Friedrich Merz, auf Platz vier sein Superminister Wolfgang Clement und auf fünf – der bayerische Edmund Stoiber.

Und seine Partei, die SPD - krächz, kreisch, noch mehr Krähen über dem Kanzleramt - weiter tiiiiieeef im Keller. Sie käme, wären jetzt Bundestagswahlen, auf gerade mal miserable 28 Prozent. Die CDU triumphiert mit 48 Prozent, und ein Blick Richtung CDU-Zentrale lässt den Kanzler toben: keine Krähe, keine einzige. Vverfluchtes Federvieh, weg mit euch. Und plötzlich fliegen sie tatsächlich weg. Eine nach der anderen. Verblüfft schaut Schröder hinterher - und erkennt gerade noch so am Horizont, wohin die Galgenvögel fliegen.

Zu Ulla Schmidt. Der zurzeit mit Abstand unbeliebtesten Politikerin laut Politbarometer. Krächz, kreisch. Schon bald ist das Gesundheitsministerium dunkel, gänzlich schwarz. Die Vögel sitzen überall. Sogar auf den Treppen. Ulla Schmidt öffnet vorsichtig die Tür. Und schaut ungläubig auf das Meer schwarzer, kreischender Krähen. Als eine sie frech in den Fuß zwackt, flüchtet sie bleich zurück. Und versucht sich zu erinnern, wie das war: Gab es bei Hitchcocks "Vögeln" ein Happy End oder nicht?