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Russische Menschenrechtler: NGO-Gesetz ist Zeitbombe

19. Oktober 2006

Human Rights Watch muss seine Arbeit vorerst einstellen. Memorial prozessiert seit einem Jahr gegen die Steuerbehören. Greenpeace Russland ist durch unklare Bestimmungen des Gesetzes verunsichert.

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Human Rights Watch wartet auf Registrierung

Vertreter von russischen Nichtregierungsorganisationen erklären, das neue Gesetz über NGOs, das deren Tätigkeit regeln soll, stelle eine Art Schlagstock gegen diejenigen dar, die der jetzigen Staatsmacht zu unbequem sind. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte der stellvertretende Leiter der Moskauer Vertretung der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Aleksandr Petrow, bei der Registrierung seiner Organisation, die das neue NGO-Gesetz vorsieht, gebe es Probleme: "Ab morgen (19.10.) werden wir unsere Arbeit einstellen müssen, weil wir abwarten müssen, bis wir im Register der ausländischen nicht kommerziellen Organisationen aufgenommen sind, die in Russland tätig sind. Bis dahin muss die gesamte Arbeit eingestellt werden. Das heißt, dass wir beispielsweise keine Forschung betreiben werden und für Medien keine Interviews mehr gegeben dürfen. Auch werden wir vorerst an keinen Veranstaltungen, wie Rundtisch-Gesprächen oder Anhörungen teilnehmen können."

"Repressive Prüfungen"

Swetlana Gannuschkina von der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial", hat die Auswirkungen des neuen Gesetzes noch vor dessen Inkrafttreten zu spüren bekommen. Sie sagte der Deutschen Welle: "Gleich, nachdem es initiiert wurde, fingen die Prüfungen mit repressivem Einschlag bei allen Organisationen an. Und die Gesellschaft Memorial prozessiert seit mehr als einem Jahr gegen die Steuerbehörden, die von uns eine gewaltige Strafzahlung fordert, wegen Verstößen gegen die Gesetze. Das ist bislang das Einzige, was uns getroffen hat, abgesehen davon, dass wir irgendwelche endlosen Formulare ausfüllen müssen, aber das kommt erst auf uns zu, wenn die Zeit für einen Rechenschaftsbericht gekommen ist."

Aufwendige Rechenschaftsberichte

NGO-Vertreter meinen, das Verfassen von Rechenschaftsberichten werde künftig deren Hauptbeschäftigung darstellen. Der Leiter von "Greenpeace Rossii", Iwan Blokow, sagte der Deutschen Welle in diesem Zusammenhang: "Wir werden sehr viele neue Rechenschaftsberichte vorlegen müssen, den ersten noch vor April kommenden Jahres. Das kann sehr viel Zeit kosten. Für diejenigen russischen NGOs, die Gelder ausländischer Stiftungen verteilen oder erhalten, bedeutet dies noch eine weitere Serie von Rechenschaftsberichten, wobei noch nicht klar ist, wie sie aussehen sollen, denn viele Bestimmungen im Gesetz sind unklar."

Menschenrechtler fordern Garantien

Die Rechenschaftsberichte seien Zeitbomben, denn die Berichte würde man nur stichprobenweise prüfen, sagte die Vertreterin der Menschenrechtsorganisation "Memorial", Gannuschkina. Sie betonte: "Wenn ich gezwungen werde, Rechenschaft abzulegen, dann möchte ich auch, dass jemand unter diesen Bericht innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist einen Stempel setzt, damit ich weiß und beruhigt bin, dass ich alles so abgegeben habe, wie es verlangt wird. Aber es ist eben so, dass innerhalb von drei Jahren alle meine Rechenschaftsberichte hervorgeholt werden können, dann, wenn man es braucht. In ihnen wird man dann Fehler finden und Forderungen erheben."

Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 18.10.2006, Fokus Ost-Südost