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Russische Menschenrechtler würdigen Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel

19. Januar 2006

Nach Merkels Besuch in Moskau zeigen sich Menschenrechtler optimistisch. Gesprächsthema war unter anderem das umstrittene NGO-Gesetz. Jetzt kam heraus: Zu diesem Zeitpunkt hatte Putin das Gesetz längst unterzeichnet.

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Angela Merkel nicht nur zu Gesprächen mit Putin bereitBild: AP

Wie am 17. Januar bekannt wurde, unterzeichnete Putin das umstrittene Gesetz über die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen in der Russischen Föderation bereits am 10. Januar. Er hielt es aber nicht für notwendig, dies am 16. Januar bekannt zu geben. Gewöhnlich teilt der Pressedienst des Staatsoberhaupts der Öffentlichkeit mit, welche neuen Gesetze der Präsident unterzeichnet hat. Diesmal erfuhr die Öffentlichkeit aber erst am 17. Januar aus der Rossijakaja Gaseta von der Unterzeichnung des Gesetzes über die NGOs. Wollte der Kreml mit der Meldung abwarten, bis Merkel Russland verlassen hatte? Im Kreml, aber auch beim Treffen mit russischen Menschenrechtlern erklärte die Bundeskanzlerin, dass man in Deutschland verfolgen werde, ob das Gesetz die Tätigkeit von NGOs einschränke. Die Menschenrechtler forderte sie auf, ihre Arbeit fortzusetzen.

Merkel setzt Signale

Die Vorsitzende des Rates beim Präsidenten der Russischen Föderation zur Förderung von Institutionen der Bürgergesellschaft und für Menschenrechte, Ella Panfilowa, sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Welle über das Treffen mit Merkel: „Ein Mensch, der mit beiden Füßen auf dem Boden steht. Sie hat einen starken Zugang zu Menschen und kennt die Probleme der einfachen Leute. Wir sprachen Russisch, was angenehm war.“

Einen ähnlichen Eindruck hinterließ das Gespräch mit Merkel auch beim Vorsitzenden der Gesellschaft Memorial, Arsenij Roginskij. Er sagte der Deutschen Welle: „Sie hat Fragen gestellt, aber die Fragen verlangten keine großen Antworten. Die Fragen waren Signale. Sie machte ihre Ansichten und ihr Interesse deutlich. Als meine Kollegen über die Lage in der Armee, in Tschetschenien und über die Wahlen sprachen, nickte sie mit dem Kopf. Sie fragte auch, wie es den Nichtregierungsorganisationen ergehe.“

Die späte Meldung über die Unterzeichnung des Gesetzes über die NGOs beurteilt Panfilowa so: „Das bleibt ein aktuelles Thema. Ich denke, dass die Öffentlichkeit die Umsetzung des Gesetzes überwachen wird. Ich bin überzeugt, dass wenn wir sehen, dass es nach der Inkraftsetzung Probleme geben wird, dann werden wir Änderungen fordern.“ Obwohl über das Gesetz, so Panfilowa, beim Treffen zwischen Merkel und den Menschenrechtlern nicht direkt gesprochen worden sei, habe man an Merkels Antworten und Fragen gesehen, dass die Bundeskanzlerin daran interessiert sei, dass das Gesetz der Bürgergesellschaft keinen Schaden zufüge.

„Revolutionäres Treffen“

Allein die Tatsache des Treffens mit der Bundeskanzlerin bewerten die russischen Menschenrechtler äußerst hoch. Roginskij von Memorial sagte in diesem Zusammenhang: „Erstmals hat ein Regierungschef eines Landes bei seinem ersten Besuch in Russland Vertreter gesellschaftlicher Organisationen eingeladen. Das ist eine revolutionäre Tatsache.“ Das unterscheide Merkel von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, so Roginskij. Der Menschenrechtler unterstrich: „Schröder vertrat in erster Linie die Interessen der deutschen Wirtschaft. Sie standen über allem. Er genierte sich nicht dafür.“ Das Ergebnis des Treffens sei, dass Putin jetzt verstehen müsse, dass die strategische Partnerschaft, von der Merkel gesprochen habe, nicht nur auf Erdgas oder Volkswagen basiere, sondern auch auf Meinungsfreiheit, auf der Lage der NGOs und der Lage im Kaukasus.

Gleb Gavrik

DW-RADIO/Russisch, 17.1.2006, Fokus Ost-Südost