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Russische Nesawissimaja gaseta wechselt Besitzer

11. August 2005

Am 5. August hat Boris Beresowskij seine Nesawissimaja gaseta verkauft. Der neue Besitzer ist ein Kreml-treuer Beamter. Über die Auswirkungen sprach DW-RADIO mit dem russischen Journalisten Leonid Radsichowskij.

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Boris Beresowskij, Unternehmer und PolitikerBild: dpa

DW-RADIO/Russisch: Der neue Besitzer der Nesawissimaja gaseta ist noch wenig bekannt. Es handelt sich um einen Unternehmer oder eher gesagt einen Beamten, den Berater des russischen Wirtschaftsministers German Gref, Konstantin Remtschukow. Der Verkauf der Zeitung wird aber über dessen Ehefrau, Jelena Remtschukowa, rechtskräftig gemacht. Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin und war in den vergangenen Jahren als Finanzberaterin in mehreren Unternehmen tätig. Was geschieht nun mit der Zeitung? Wird sie sich verändern? Wird sie unabhängig und oppositionell sein?

Leonid Radsichowskij: Ich denke, dass die Zeitung Schritt für Schritt loyaler und weniger oppositionell werden wird, einfach aus dem Grund, weil es schwierig ist, in Russland oder im Ausland einen Mann zu finden, der Putin noch mehr hasst als Beresowskij, dem die Zeitung gehörte. Es ist klar, dass der in Moskau wohnhafte russische Staatsbürger, der zudem noch als Regierungsberater tätig ist, also Remtschukow, der neue Besitzer der Zeitung, dem Kreml gegenüber loyaler sein wird als Beresowskij.

Wie bewerten Sie die Geschichte mit der Nesawissimaja gaseta vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse auf dem russischen Medienmarkt? Mehrere Medien haben bekanntlich ihre Besitzer gewechselt.

Es ist leicht zu sagen, wie es auch alle tun, dass dies in Richtung endgültige Unterdrückung und endgültige Monopolisierung der Medien durch den Kreml geht. Das ist die gängige Meinung. Ich kann nicht sagen, dass dies absolut falsch ist, aber nehmen Sie beispielsweise die viel interessanteren Ereignisse um den Verkauf von REN TV, eines großen Fernsehsenders. Anfangs wurde gesagt, der dem Kreml nahestehende Oligarch Aleksej Mordaschow habe den Sender gekauft. Später wurde bekannt, dass nicht nur Mordaschow, sondern ein großer deutscher Konzern beteiligt ist. Jetzt heißt es, auch Rupert Murdoch sei mit im Spiel, also große und ganz klar unabhängige westliche Medien-Holdings. Unter Putin wird alles ganz vorsichtig gemacht, Schritt für Schritt, sehr langsam. Insgesamt besteht aber die Tendenz zu einer Übernahme der Medien durch den Staat.

Begünstigen diese Entwicklung die ehemaligen Besitzer selbst?

Ja, es gibt noch eine weitere interessante Tendenz. Die größten Oppositionellen, Beresowskij und Newslin, verkaufen ihre Zeitungen. Leonid Newslin verkaufte die Zeitung Moskowskije Nowosti, Beresowskij verkaufte die Nesawissimaja gaseta. Warum sie das machen, kann man nicht verstehen. Die Zeitungen waren von Anfang an verlustbringend. Ich denke, weder Beresowskij noch Newslin hatten vor, mit ihren Zeitungen Gewinne zu erwirtschaften. In finanzieller Hinsicht gibt es hier nichts zu diskutieren. Aber auch in politischer Hinsicht kann der Kreml Newslin oder Beresowskij kaum unter Druck setzen und sie zum Verkauf zwingen. Das ist unwahrscheinlich. Welche Motive sie noch haben können ist mir unbekannt, Tatsache ist es aber.

Das Gespräch führte Michail Bushuev
DW-RADIO/Russisch, 5.8.2005, Fokus Ost-Südost