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Russische Wirtschaft beschämt Medwedew

12. November 2009

Ein neues, modernes und offenes Russland, dafür hat sich der russische Präsident Dmitri Medwedew in seiner jährlichen Rede an die Nation im Kreml ausgesprochen. Die eigene Wirtschaft kritisierte er scharf.

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Staatspräsident Dmtri Medwedew bei seiner Ansprache an die Nation im Kreml (Foto: dpa)
Medwedew: Russland soll wieder Weltmacht werden.Bild: picture-alliance/ dpa

Nach seinem Willen solle Russland wieder eine Weltmacht werden. Dafür müsse das Land seine "chronische Rückständigkeit" überwinden und "grundlegend modernisiert" werden. Dies werde erstmals in der russischen Geschichte auf Grundlage demokratischer Werte und Einrichtungen geschehen, sagte Medwedew am Donnerstag (12.11.09) in Moskau. Ziel seiner Präsidentschaft sei es, aus Russland eine "intelligente und selbstverantwortliche" Gesellschaft zu machen, statt einer "archaischen Gesellschaft, in der die Führer für alle denken und entscheiden".

Das "Prestige der Heimat" und das "nationale Wohlergehen" dürften nicht unbegrenzt auf den "Errungenschaften der Vergangenheit" beruhen, sagte Medwedew. Außerdem kritisierte er die "beschämend geringe Wettbewerbsfähigkeit" der russischen Wirtschaft sowie die hohe Abhängigkeit seines Landes von Öl und Gas.

Staatspräsident Dmtri Medwedew bei seiner Ansprache an die Nation im Kreml (Foto: dpa)
Im Kreml plädierte der Präsident für ModernisierungBild: picture-alliance/ dpa

Zeit für Veränderung

Die globale Wirtschaftskrise habe Russland schwerer getroffen als andere Staaten, sagte Medwedew in seiner zweiten Rede an die Nation im Kreml. Aber anders als Ministerpräsident Putin wies er den USA keine Schuld daran zu. "Wir sollten nicht im Ausland nach Schuldigen suchen. Wir haben nicht genug getan", sagte der Präsident. Mehr als eine Millionen Russen riskierten, ihre Arbeit zu verlieren. Die Abhängigkeit von Rohstoffen und die zuletzt hohen Weltmarktpreise für Energieträger hätten eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung behindert, erklärte Medwedew. "Wir können nicht mehr länger warten."

Um die Veränderungen umzusetzen, kündigte der Kremlchef technologische Erneuerungen in Bezug auf Atomenergie, die Entwicklung der Weltraumforschung sowie der Informationstechnologien an. Dafür sollen beispielsweise in fünf Jahren landesweit Breitband-Internet, digitales Fernsehen und Mobilfunk der vierten Generation zur Verfügung stehen. Außerdem verlangte der Präsident einen sparsamen und umweltfreundlichen Umgang mit den Rohstoffen des Landes sowie die Entwicklung alternativer Energiequellen.

Rückzug des Staates

Deutlich forderte Medwedew die Russen auf, sich nicht mehr wie im Kommunismus auf den Staat zu verlassen, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen. Ziel sei es vor allem, Jugendliche zu "geistiger Freiheit" zu erziehen. Dabei sehe er in großen öffentlichen Unternehmen langfristig keine Zukunft und plädierte für deren Auflösung und Privatisierung. Zudem sollen die bestehenden Staatskonzerne sich laut Medwedew künftig unabhängigen Buchprüfungen unterziehen müssen, um effizienter zu werden. Der Anteil des Staates am russischen Wirtschaftsgeschehen beträgt derzeit rund 40 Prozent.

Medwedew forderte zudem einen "offenen Wettbewerb" der Ideen und Meinungen im Land und versprach Nichtregierungsorganisationen seine Unterstützung.

Wladimir Putin bei Dimitri Mewedew (Foto: dpa)
Medwedew distanzierte sich in seiner Rede indirekt von seinem Vorgänger PutinBild: picture-alliance/ dpa

Durch den geforderten Rückzug des Staates distanzierte der Kremlchef sich indirekt von seinem Vorgänger Wladimir Putin, vermied jedoch in diesem Zusammenhang die Kritik an dem von Putin geschaffenen System starker politischer Kontrolle der Zivilgesellschaft.

Mehr Demokratie, weniger Korruption

Medwedew vertrat die Meinung, dass im politischen System der Zugang für Parteien zu Wahlen erleichtert werden solle, jedoch werde er eine Destabilisierung des Landes auch mit demokratischen Slogans nicht zulassen. Die Regierung solle transparenter werden und Korruption unter Politikern, Beamten und Polizisten entsprechend bestraft werden. "Freiheit bedeutet Verantwortung", betonte Medwedew, "ich hoffe, dass das jeder versteht".

Außerdem versprach er eine pragmatische Handhabung der Visabestimmungen, um Experten anzuwerben, und regte die Diskussion über eine Reduzierung der Zeitzonen sowie über die Abschaffung der wechselnden Sommer- und Winterzeit an.

Kampf gegen Terrorismus

Russland werde weiterhin kompromisslos gegen den Terrorismus vorgehen und "die Banditen vernichten", betonte Medwedew. Für die Unruheregionen im Kaukasus sollen weitere Gelder zur Verfügung gestellt werden. Zur Erhöhung der Verteidigungskraft sollen im nächsten Jahr 30 neue ballistische Raketen in Dienst gestellt werden, rund 300 moderne Panzerfahrzeuge, 30 Hubschrauber, 28 Kampfflugzeuge, drei Atom-U-Boote, ein Kriegsschiff und elf Satelliten.

Im vergangenen Jahr überraschte Medwedew in seiner Rede im Kreml mit der Ankündigung Raketen nahe der polnischen Grenze aufzustellen. Diesmal lag sein Fokus darauf, Russland zu einem moderneren und offeneren Land zu machen. Zuletzt hatte er vor allem mit Internet-Botschaften immer wieder die Zustände in Russland kritisiert. Allerdings beklagen Kritiker, dass den Ankündigungen bisher kaum Taten gefolgt seien. Nun liegt es bei Präsident Medwedew, die von ihm selbst geforderten Veränderungen auch umzusetzen.

Autorin: Patrizia Pullano (dpa, ap, rtr, afp)

Redaktion: Martin Schrader