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Russischer Oppositioneller Kasparow warnt Westen vor Putin

27. April 2006

Anlässlich des deutsch-russischen Gipfels protestierten russische Oppositionelle gegen eine bedingungslose Zusammenarbeit mit dem Putin-Regime. DW-RADIO sprach mit dem Führer der Vereinigten Bürgerfront, Garri Kasparow.

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Garri Kasparow: In Russland wird eine Diktatur errichtetBild: AP

DW-RADIO/Russisch: Während des deutsch-russischen Gipfeltreffens in Tomsk hat die Vereinigte Bürgerfront eine Protestaktion veranstaltet. Welche Ziele wollen Sie auf diesem Weg erreichen?

Garri Kasparow: Wir wollen zeigen, dass in Russland die Lage weit von der Stabilität entfernt ist, die von den staatlichen Fernsehkanälen gezeichnet wird. Natürlich ist es wichtig, solche Ereignisse wie das Gipfeltreffen des russischen Präsidenten mit der deutschen Bundeskanzlerin zu nutzen, um darauf hinzuweisen, dass eine solche bedingungslose Zusammenarbeit westlicher Staaten mit dem Putin-Regime, das nichts mit Demokratie gemein hat, gefährlich ist. Wir verstehen natürlich, dass eine wirtschaftliche Zusammenarbeit notwendig und für beide Seiten von Vorteil ist. Aber wenn dabei der Anschein erweckt wird, dass Russland ein vollberechtigtes Mitglied des erlesenen Clubs demokratischer Staaten ist, dass die Menschenrechtsverstöße und die faktische Abschaffung demokratischer Verfahren in Russland nicht existieren oder unwesentlich sind, dann macht das den westlichen Staatschefs keine Ehre.

Beobachter meinen, dass vor und während des Gipfeltreffens in Tomsk die russische Position und der Ton der russischen Führung gegenüber dem Westen sehr hart waren. Wie erklären Sie diese Härte?

Putins Position und die Position seiner Administration hängen auch immer von der Reaktion der anderen Seite ab. Was die Beziehungen zum Westen betrifft, so ist offensichtlich, dass die westlichen Staatschefs feige und nicht bereit sind, sich Putins dreister politischen Expansion zu widersetzen. Er spürt diese Schwäche und versucht natürlich, immer neue Aufmarschgebiete zu erschließen. Derzeit genießt das russische Fernsehen hämisch die Tatsache, dass es auch nach Schröder zu keinen realen Veränderungen in den deutsch-russischen Beziehungen gekommen ist, dass Putin wie bisher sowohl den Russen als auch der ganzen Welt demonstriert, dass die inneren Angelegenheiten Russlands und sogar die Missachtung elementarster demokratischer Regeln im Ausland sich in keiner Weise auf die Stärke der Position Russlands in der internationalen Arena auswirken. Wenn alles so bleibt wie bisher, dann wird der Westen noch viele Pillen schlucken müssen. Die heftigste Ohrfeige wird natürlich nach dem G8-Gipfel kommen, wenn die russische Staatsmacht ein Projekt präsentieren wird, damit Putin auf unbestimmte Zeit im Kreml bleiben kann.

In russischen Oppositionskreisen werden in letzter Zeit die Aufrufe an die USA und andere westliche Länder immer lauter, das nächste G8-Treffen in Sankt Petersburg zu boykottieren. Unterstützen Sie diese Forderung?

Aus einem idealistischen Standpunkt heraus ist ein solches Gipfeltreffen in Sankt Petersburg fraglich – ein Gipfel der G7, denn ich verstehe nicht, was G8 bedeutet, weil G7 steht für die am weitesten entwickelten demokratischen Industriestaaten. Die Aufnahme Russlands macht diese Idee zunichte. Andererseits weiß ich, dass es keinen Sinn macht, von westlichen Politikern heute einen drastischen Kurswechsel zu verlangen. Aber deren Besuch in Sankt Petersburg muss an strenge Bedingungen geknüpft werden. Autoritären und totalitären Regimen muss man Grenzen aufzeigen. Es ist klar, dass in Russland eine Kampagne vorbereitet wird, mit dem Ziel, Putin an der Macht zu halten. Wenn westliche Politiker vor dem Gipfel dazu nicht klar und deutlich Stellung nehmen und dort nur die Energiesicherheit diskutieren werden, dann werden sich die westlichen Länder, falls Putins Plan realisiert wird, an der Errichtung der Diktatur in Russland faktisch beteiligen.

Das Gespräch führte Pavel Los
DW-RADIO/Russisch, 27.4.2006, Fokus Ost-Südost