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Major Youtube

10. November 2009

Die russische Miliz hat einen neuen Skandal. Dabei berichtete ein Polizeimajor nur, was in Russland eh schon jeder zu wissen glaubte - vom Amtsmissbrauch seiner Vorgesetzten und von gezieltem persönlichem Druck.

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Grafik Fernschreiber Moskau (Quelle: DW)
Bild: DW

Der neue russische Youtube-Star heißt Alexej Dymowski und ist Polizeimajor. In mehreren Videobotschaften hatte der 32-jährige Polizist Korruption und Willkür in seiner Dienststelle in der Stadt Noworossijsk am Schwarzen Meer angeprangert. Knapp 600.000 Menschen haben seine Brandrede mittlerweile im Internet gesehen.

Wochenende wurde abgeschafft

Das, was Dymowski von der Couch seiner Wohnung erzählt, ist haarsträubend, sollte es wahr sein: Seine Vorgesetzten behandelten ihn "wie Vieh". Um die Aufklärungsrate der Polizeistelle zu erhöhen, würden bewusst Unschuldige hinter Gittern gebracht, die sich anschließend freikaufen müssten. Er selbst arbeite 30 Tage pro Monat. Das Wochenende habe sein Chef eigenmächtig abgeschafft, erklärt Dymowski. Selbst der Polizeiarzt habe sich geweigert, ihn zu behandeln, weil seine Aufklärungsrate zu gering gewesen sei. 14.000 Rubel (325 Euro) verdiente der Polizeimajor.

"Ich habe das vier Jahre ertragen", erklärt der blonde Mann in seiner Polizeiuniform vor der Kamera. "Aber länger halte ich das nicht mehr aus. Sollen sie mich doch feuern." Sein Gewissen gebiete es ihm, Regierungschef Wladimir Putin von den Zuständen vor Ort zu informieren. Kurz darauf kündigte Dymowski, um seinen Vorgesetzten zuvorzukommen.

Eine offene Wunde

Der Skandal trifft eine russische Polizei, die ohnehin schon einen schlechten Ruf bei ihren Bürgern hat. Seit Sowjetzeiten ist die Miliz nicht tiefgreifend reformiert worden. Vor allem in den wilden russischen 1990er-Jahren machten Beamte mit kriminellen Machenschaften Schlagzeilen.

Jetzt hat das Innenministerium eine Kommission beauftragt, die Vorwürfe Dymowskis zu untersuchen. Der oberste Polizeichef, Innenminister Raschid Nurgalijew, erklärte am Dienstag (10.11.2009) zum Tag der Miliz: "Wir werden niemanden decken. Das betrifft auch diejenigen, die den Polizeidienst zum kriminellen Geschäft gemacht haben." Scheinbar war das bislang keine Selbstverständlichkeit in der russischen Miliz.

Während ein ehemaliger Kollegen Dymowskis Vorwürfe bestätigt, streiten seine Vorgesetzten alles ab. Der Polizeimajor sei von "Kräften, die Russland schaden wollten", bezahlt worden, heißt die in solchen Fällen gängige Formulierung aus dem Innenministerium.

Nach einer Odyssee vom Schwarzen Meer gab Dymowski am Dienstagnachmittag in Moskau eine Pressekonferenz. Er hoffe immer noch, dass er Regierungschef Putin über den wahren Zustand in der Polizei aufklären kann. Die meisten seiner Landsleute sind da weniger optimistisch.

Autor: Erik Albrecht

Redaktion: Kay-Alexander Scholz