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Russischer Wahlmarathon hat begonnen

Ingo Mannteufel9. September 2003

Den russischen Abgeordneten stehen aufregende Wochen bevor: Am 7. Dezember wird ein neues Parlament gewählt. Doch wer tritt an? Und welche Bedeutung hat diese vierte Staatsduma-Wahl für das nachsowjetische Russland?

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Die Ferien sind vorbei - auch in der StaatsdumaBild: AP

Wie in Deutschland ist auch in Russland am Dienstag (9. September 2003) erstmals wieder das Parlament nach der Sommerpause zusammengekommen. Den Parlamentariern stehen anstrengende Zeiten bevor: Am 7. Dezember wird ein neues Parlament – die Staatsduma – gewählt. Dutzende Parteien und Hunderte von Einzelkandidaten bewerben sich um die 450 Abgeordnetensitze, die ähnlich wie in Deutschland je zur Hälfte über Parteilisten und über Wahlkreise vergeben werden.

Gelenkte Demokratie

Vladimir Putin
Wladimir PutinBild: AP

Im Unterschied zu den früheren drei Wahlen im nachsowjetischen Russland findet diese Wahl in einem ruhigeren politischen Klima statt. Der Grund dafür ist der politische Kurs von Präsident Wladimir Putin. Seit Sommer 1999 hat er die Zügel im Land wieder angezogen: Im noch amtierenden Parlament schuf Putin sich eine breite Basis für seine Politik. Den widerspenstigen Regionalführern setzte er sieben Generalgouverneure vor die Nase. Der unter seinem Vorgänger Boris Jelzin schnell sehr reich gewordenen kleinen Schicht der so genannten Oligarchen wurde signalisiert, sich aus der Politik rauszuhalten. Kritische Medien wie die TV-Sender NTW oder TW6 wurden unter den Einfluss des Kreml gebracht oder geschlossen. Somit ist kaum von einer staatsunabhängigen "vierten Gewalt" zu reden, die die Bürger kritisch und ausgewogen über die Wahlen informiert.

Viele Parteien, ein Präsident

Vor diesem Hintergrund wird vielfach ein Sieg der Pro-Putin-Parteien erwartet, die schon jetzt die Duma dominieren: Damit ist zuerst die Partei "Geeintes Russland" gemeint, die in Russland als die "Partei der Macht", also des Präsidenten und der Bürokratie, gilt. Geführt wird sie vom russischen Innenminister und Putin-Vertrauten Boris Gryzlow, der im Sommer mit populistischen Aktionen gegen Korruption schon indirekt Wahlkampf machte. Meinungsumfragen sehen die Partei bei rund 20 Prozent. Die künftige Fraktion von "Geeintes Russland" sowie der gesamte Pro-Putin-Block im Parlament dürfte durch die in Wahlkreisen direkt gewählten Einzelkandidaten noch größer werden.

Zu den Pro-Präsidenten-Parteien gehören im weitesten Sinne noch zwei weitere Parteien, die auch diesmal knapp die Fünfprozenthürde nehmen könnten: die "Union rechter Kräfte" und die sich liberaldemokratisch nennende Partei LDPR des Nationalisten Wladimir Shirinowski. Denn in wichtigen Parlamentsabstimmungen hat die LDPR den Kurs von Putin mitgetragen. Umfragen erwarten für die LDPR rund acht Prozent der Stimmen. Um die fünf Prozent sagen Meinungsforscher für die rechtsliberale "Union rechter Kräfte" voraus, deren Politiker den Präsidenten vor allem bei seinen ökonomischen Reformen unterstützen.

Bedeutungslose Wahl?

Karte Russland
RusslandBild: AP

So ganz sind die Wahlen aber noch nicht entschieden: In aktuellen Umfragen liefert sich die wichtigste Oppositionspartei - die Kommunisten um Gennadi Sjuganow – ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit "Geeintes Russland". Auch der zweiten Kreml-kritischen linksliberalen Jabloko-Partei werden noch Chancen eingeräumt, die Fünfprozenthürde knapp zu überwinden.

Die künftigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind für Präsident Putin von großer Bedeutung – schließlich stellt er sich im März 2004 selbst wieder zur Wahl. Zwar halten die Mehrzahl der Beobachter diese Wahl für entschieden: ein ernsthafter Gegenkandidat ist momentan nicht in Sicht. Der Ausgang der Parlamentswahl hat aber Einfluss auf die zweite Amtszeit von Putin: Seine ökonomischen Reformen wie die Steuer- oder die Landreform hat er in den vergangenen Jahren nur durchsetzen können, weil er dort – im Unterschied zu seinem Vorgänger Jelzin – über eine solide Mehrheit verfügte.