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Russisches NGO-Gesetz: Knebel für die Zivilgesellschaft

22. Dezember 2005

Trotz massiver Proteste hält Russland weitgehend an seinen Plänen zur stärkeren Kontrolle von NGOs fest. Mit dem neuen Gesetz soll das Revolutions-Virus ausgeschaltet werden, meint Cornelia Rabitz in ihrem Kommentar.

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Warum das Gesetz im Eiltempo durchgepeitscht wurde, kann niemand in der russischen Führung überzeugend beantworten, fest steht jedoch: Künftig werden es Regierungs-unabhängige Organisationen (NGOs) in Russland noch schwerer haben als bisher. Sie werden geknebelt, überwacht, schikaniert.

Menschen, die sich um die Förderung demokratischer Strukturen bemühen, um Aidswaisen kümmern, um die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus oder um den Erhalt der Umwelt werden vom Staat und der allgegenwärtigen Bürokratie kontrolliert und entmutigt. Die gerade erst entstehende Zivilgesellschaft ist gefesselt, und die Duma, das Parlament, die Vertretung des Volkes, hat dazu Handlangerdienste geleistet. Darüber darf auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass - nach massiven internationalen Protesten - nunmehr einzelne Verbesserungen in das Gesetz eingearbeitet wurden, von denen freilich ausschließlich ausländische Organisationen profitieren.

Schutz oder Abschottung?

Die offizielle Begründung lautete, man wolle Russland gegen menschenverachtende Ideologien von außen schützen und müsse gegen jene vorgehen, die unter dem Deckmantel der NGOs terroristische Aktivitäten planten oder Geldwäsche betrieben. Für all dies gibt es freilich bereits Gesetze, man muss sie nur anwenden.

So scheint richtig, was viele ohnehin vermutet haben: Das Revolutions-Virus soll ausgeschaltet werden. Der Kreml und mit ihm ein großer Teil der russischen Eliten glauben schon lange, dass Regierungs-unabhängige Organisationen mit Hilfe ausländischer Gelder die Umstürze in Georgien, Kirgisien und vor allem in der Ukraine unterstützt haben - was, übrigens, nicht falsch ist. Man spricht freilich heute wieder von "Konterrevolution". Russland soll vor ausländischer Einmischung bewahrt werden - ein Feindbild-Denken, das aus sowjetischen Zeiten bestens bekannt ist. Folgt man ihm, so muss man sich auch keine Gedanken mehr machen über Wahlmanipulationen, Korruption und autoritäre Regime in den GUS-Staaten.

Angst vor den eigenen Bürgern

Der russische Staat, so scheint es, fürchtet nicht nur westliche Ideen und westliches Geld, er hat auch Angst vor seinen eigenen Bürgern. Das Bedürfnis nach umfassender gesellschaftlicher und politischer Kontrolle ist selbst außer Kontrolle geraten. Maßlos aber mit großer Konsequenz versucht Präsident Wladimir Putin mehr und mehr Bereiche der Zentralgewalt zu unterwerfen.

Und auch die Frage, warum Menschenrechtsgruppen, Geschichtswerkstätten oder Aidsprojekte Geld und Unterstützung aus dem Ausland benötigen, wird nicht gestellt. Würde man dies tun, so müsste man über die Verteilung von Armut und Reichtum in Russland reden, über den ungeniert zur Schau gestellten Protz, über eine Kultur sozialer Verantwortung, die es nicht gibt.

Bedrückend ist bei alldem, dass der große gesellschaftliche Protest im Lande ausbleibt. Kritische Stimmen haben kein Forum mehr. Der staatliche Einfluss auf die Medien des Landes hat erschreckend zugenommen, längst sind alternative Stimmen mundtot gemacht, die demokratische Opposition ist marginalisiert, und die große Mehrheit bleibt passiv, zu überwältigend scheint das Bedürfnis nach dem starken Mann. Diesen Wunsch erfüllt Präsident Putin gern.

Cornelia Rabitz

DW-RADIO/Russisch, 22.12.2005, Fokus Ost-Südost