1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland als Junior-Partner der USA

Miodrag Soric24. Mai 2002

Hauptthema der Russland-Visite von Präsident Bush ist ein Abrüstungsvertrag. Aber schon kurz danach treffen sich Bush und Putin erneut, um die engere Bindung Russlands an die NATO zu besiegeln. Miodrag Soric kommentiert:

https://p.dw.com/p/2H8X

Manchmal sind es die kleinen Gesten, die viel über die große Politik sagen. Schon im Vorfeld des Besuchs überschütteten sich der amerikanische und der russische Präsident mit Komplimenten. Und eine solche Geste demonstrierter gegenseitiger Wertschätzung ist es auch, dass der Gast aus den USA nicht nur Moskau besuchen wird, sondern auch Sankt Petersburg, die Heimatstadt von Wladimir Putin.

Alle Welt weiß, dass es nach dem Ende des Kalten Krieges nur noch eine Supermacht gibt: die USA. Dennoch unterzeichnen der amerikanische und der russische Präsident einen atomaren Abrüstungsvertrag - quasi unter Gleichen. Es ist wohl der letzte in der Geschichte beider Länder. Auch hier kommt George W. Bush seinem russischen Amtskollegen entgegen. Als Anerkennung der Politik Putins darf sicherlich auch gelten, dass Präsident Bush ganze drei Tage Russland besuchen wird. Für die europäischen Verbündeten hatte er weniger Zeit.

Gewiss: Das über Jahrzehnte geschürte Misstrauen zwischen Washington und Moskau lässt sich nicht von heute auf morgen abbauen. Doch beide Seiten geben sich sichtlich Mühe, die bilateralen Beziehungen zu verbessern. Nach dem 11. September hatte sich Präsident Putin ohne Wenn und Aber an die Seite Amerikas gestellt. Bush hat dies in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag noch einmal ausdrücklich gewürdigt. Letztlich kommt der amerikanische Präsident auch nach Russland, um sich bei Putin persönlich für dessen Engagement in der Anti-Terror-Allianz zu bedanken. Übrigens nicht nur mit Worten: Der bisherige "NATO-Russland-Rat", der nie so recht funktionierte, mutiert in wenigen Tagen zum der "Rat der 20". Russland darf dann als gleichberechtigter Partner mit am NATO-Tisch sitzen.

Das löst bei den Europäern Befürchtungen aus, die engeren amerikanisch-russischen Beziehungen könnten das westliche Verteidigungsbündnis schwächen. Fest steht: Russland hat die Amerikaner in ihrem Kampf gegen den Terror oft besser unterstützt als manches NATO-Land. Bezeichnend für das augenblickliche Selbstverständnis der USA als einzige Supermacht ist es, dass ihr Präsident im Deutschen Bundestag den Russen zurief, dass sie in Europa willkommen sind.

Von der neuen russischen Außenpolitik werden nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Europäer profitieren. Viele europäische Staaten sind auf Erdgas-Lieferungen aus Sibirien angewiesen. Schon schwärmen Experten in den Denkfabriken der westlichen Hauptstädte von einer "Energie-Allianz" mit Russland. Europäer und Amerikaner sind gleichermaßen an einem stabilen und wohlhabenden Russland interessiert.

Es ist die innenpolitische Lage, die Russlands neue Außenpolitik - die Annäherung an den Westen - bestimmt: Die Wirtschaft benötigt Know-how und Investitionen. Präsident Putin will als großer Modernisierer in die Geschichte eingehen. Einen Konfrontationskurs wie zu sowjetischen Zeiten kann sich Russland nicht leisten. Putin hat von den Fehlern seiner Vorgänger gelernt: Er lenkt weniger Geld in den sogenannten militärisch-industriellen Komplex und mehr in das Bildungssystem seines Landes.

Dort, wo Russland der amerikanischen Außenpolitik widerspricht, etwa beim Thema Irak und Iran, geht es vor allem um die wirtschaftlichen Interessen Moskaus in dieser Region. Da Russland letztlich der amerikanischen Übermacht auf dem internationalen Parkett kaum etwas entgegenzusetzen hat, begnügt sich Putin mit der Rolle des Junior-Partners der USA. Das zeugt von einem neuen Realismus im Kreml. Wie viele amerikanische, so würde auch die meisten russischen Politiker ihre Soldaten auf dem Balkan am liebsten sofort nach Hause holen. Schließlich kostet das Engagement in diesem Teil der Welt viel Geld. Nationale Interessen müssen dort nicht verteidigt werden.

Ein Verlierer der Neuausrichtung der russischen Außenpolitik heißt China: Der Versuch, gemeinsam mit Russland ein strategisches Gegengewicht zu den USA aufzubauen, ist wohl endgültig gescheitert. Zu den Verlierern der russisch-amerikanischen Annäherung gehört auch die tschetschenische Zivilbevölkerung. Nach dem 11. September wagen es weder George W. Bush noch andere westliche Staatsmänner, Russland wegen seines unverhältnismäßig brutalen Vorgehens im Kaukasus zu kritisieren. Beim Austausch gegenseitiger Höflichkeiten, wie sie das amerikanisch-russische Verhältnis zur Zeit prägen, würde solche Kritik nur stören.