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Russland: Bewegung im demokratischen Lager

21. September 2006

Die "Union rechter Kräfte" hat auf ihrem Parteikongress klare Ziele formuliert: 2007 will sie mit einer eigenen Fraktion in die Duma einziehen, bei den Wahlen 2008 soll ein eigener Präsidentschaftskandidaten antreten.

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Die Staatsduma - erstes Ziel der SPSBild: AP

Am 19. September hat in Moskau ein Kongress der Partei "Union rechter Kräfte" stattgefunden. In einer Abschlussresolution heißt es, die Partei wolle 2007 mit einer eigenen Fraktion bei den Wahlen zur Staatsduma antreten und möglichst auch in das Parlament einziehen. Allerdings wird dies nur denjenigen Parteien gelingen, die die geltende Sieben-Prozent-Hürde überspringen. Der Politologe Denis Dragunskij, der der "Union rechter Kräfte" (SPS) nahe steht, meint, die Partei sei dazu in der Lage: "In der Resolution steht nicht, dass die SPS schon übermorgen oder bei den kommenden Wahlen an die Macht zurückkehren müsse. Es ist eine Deklaration zum Plan einer Rückkehr an die Macht in Etappen. Es ist möglich, dass die SPS im Jahr 2007 in die Staatsduma einzieht, wenn sie sich mit allen demokratischen Kräften des Landes zusammenschließt."

Gewicht der SPS umstritten

Der Experte des "Zentrums für politische Konjunktur", Kirill Tschistjakow, erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass im Jahr 2003 die SPS nicht einmal die niedrigere Fünf-Prozent-Hürde geschafft habe. Bei Regional-Wahlen sei die Partei in letzter Zeit ebenfalls nicht erfolgreich gewesen. Deswegen geht Tschistjakow davon aus, dass die SPS nicht in die neue Duma kommen wird – auch dann nicht, wenn in naher Zukunft die Anzahl ihrer Anhänger steigen würde: "Die SPS könnte sich stärken mit den Parteien, die vom Föderalen Registrierungs-Dienst nicht zugelassen werden. Ich denke, das wird die ‚Republikanische Partei‘ von Ryschkow und Lysenko betreffen, aber auch Gratschjows Bewegung ‚Entwicklung des Unternehmertums‘. Verhandlungen über einen Zusammenschluss werden zwischen den drei Kräften seit langem geführt. Ein Beitritt anderer Parteien und kleinerer Organisationen zur SPS ist denkbar. Dann würde die Rolle der SPS stärker werden."

Tschistjakow hält aber einen Einzug der SPS in die Duma für unrealistisch: "Die Menschen assoziieren die SPS mit Anatoli Tschubajs, und Tschubajs ist für die meisten Einwohner Russlands eine unausstehliche Figur. Deswegen gibt es zwei Wege. Die SPS bleibt bei Tschubajs, dann wird die Partei aber weiter an Einfluss verlieren. Oder sie löst sich von Tschubajs, was den Geldfluss verringern wird. Die SPS wird kein Geld mehr für Regional-Wahlen und Wahlkämpfe überhaupt haben. Andere potentielle Sponsoren hat die SPS bislang nicht. Die prowestlichen Strukturen haben sich auf die Partei "Jabloko" ausgerichtet. Diese Partei ist früher als die SPS gegründet worden, und dazu nicht künstlich, nicht vom Kreml."

Kritik am Kreml

In der Resolution des SPS-Kongresses heißt es, da an der Parlamentsarbeit keine demokratischen Kräfte beteiligt seien, manipuliere die herrschende Gruppierung die demokratischen Verfahren im eigenen Interesse. Es bestehe eine Zensur in den Medien, der freie Markt werde immer stärker verwaltet, im Lande nähmen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit weiter zu, das internationale Ansehen Russlands sinke. Die Krise des herrschenden Regimes könnte in naher Zukunft zu einem Zerfall Russland führen.

Mit einer solch unversöhnlichen Haltung gegenüber dem Kreml wird die SPS nach Tschistjakows Ansicht unter keinen Umständen in die Duma einziehen. Der Kreml werde dies einfach nicht zulassen. Der Politikwissenschaftler Denis Dragunskij ist aber anderer Meinung: "Solange wir sagen werden, dass der Kreml uns irgendetwas erlaubt oder verbietet, solange wird der Kreml uns auch etwas erlauben oder verbieten. In unserem Land gibt es weder eine Diktatur noch eine Zensur. In unserem Land herrscht eine schreckliche Angst, die tief im Volk verwurzelt ist. In der Verfassung steht nirgendwo, was der Kreml erlaubt oder verbietet, oder dass man den Kreml um Erlaubnis bitten muss."

Einigung der Demokraten ungewiss

Gleichzeitig erklärte sich die SPS bereit, einen gemeinsamen Kandidaten der demokratischen Kräfte für die Präsidentschaftswahlen aufzustellen oder zu unterstützen. Der Führer der SPS, Nikita Belych, meint, Michail Kassjanow könnte der Kandidat werden. Kassjanow gilt als Politiker, der dem Kreml äußerst unbequem ist. Tschistjakows meint aber, es werde keinen "einzigen Kandidaten" geben. Das Haupthindernis dafür sei die Partei "Jabloko", so der Politologe: "Eine Vereinigung von Jabloko und SPS steht längst nicht mehr zur Debatte, unter anderem wegen Jawlinskijs Positionen. Jawlinskij ist ziemlich autoritär, und Jabloko ist sein Kind. Die schwierigste Frage wird sein, wer die demokratische Opposition anführen wird, wenn sie sich vereinigt. Das wird der Hauptgrund für Streit sein."

Denis Dragunskij zufolge ist es derzeit noch zu früh, sagen zu können, wer der Kandidat der demokratischen Kräfte werden könnte. Er meint, es könnte auch jemand werden, der zurzeit der breiten Öffentlichkeit noch unbekannt ist: "Wladimir Putin wurde bei den ersten und zweiten Wahlen deutlich gewählt. Und wer kannte ihn zwei Monate bevor er Premier wurde? Ihn kannten nur leidenschaftliche Kreml-Experten und Politologen. Putin war unbekannt und wurde deutlich gewählt. Wenn ein Kandidat zum Vorschein tritt und er den Menschen gefallen wird, dann wird er auch gewählt."

Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 19.9.2006, Fokus Ost-Südost