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Politik

"Russland drückt die richtigen Knöpfe"

Roman Goncharenko
20. Juni 2017

Russland versucht auf seine Nachbarn in Osteuropa Einfluss zu nehmen. Die Medien und soziale Netzwerke spielen dabei eine große Rolle. Eine Diskussionsrunde beim Global Media Forum suchte nach Gegenstrategien.

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Diskussion über russischen medialen Einfluss beim GMF in Bonn
Moderatorin Zhanna Nemzowa und die Diskutanten Ewelina Karpinska-Morek, Natalia Antelava, Frank HofmannBild: DW/R. Goncharenko

Natalia Antelava brachte es auf den Punk: "Russland drückt die richtigen Knöpfe", sagte die ehemalige BBC-Fernsehkorrespondentin aus Georgien und Chefredakteurin des internationalen journalistischen Projekts Codastory beim Global Media Forum (GMF) in Bonn. Viele im Saal nickten zustimmend. Bei einer Diskussionsrunde ging es um "östliche Identitäten und wachsenden Einfluss Russlands auf seine Nachbarn". Russische Medien seien "sehr erfolgreich" darin, die öffentliche Meinung zu manipulieren - nicht nur in den früheren Sowjetrepubliken, sondern auch im Westen durch Auslandssender, so Antelava. Ihre Analyse klang wie eine Mischung aus Anerkennung und Empörung.Vor allem in der Ostukraine habe die Georgierin hautnah erlebt, wie stark das russische Fernsehen in die Köpfe der Bevölkerung eindringt. In einem Fall war die Reporterin in Donezk, der Hochburg prorussischer Separatisten, Berichten russischer Medien über ein angeblich bei einer Bombenexplosion getötetes Mädchen nachgegangen. Die Geschichte erwies sich als sogenannte Fake News, eine Falschmeldung wie viele andere. "Doch selbst die in Donezk lebenden Menschen glaubten an diese Geschichte", erinnert sich Antelava. Man merkte an ihrer Stimme, wie tief sie das beeindruckt hat.  

Natalia Antelava (Co-Founder and CEO, Coda Story, Georgia)
Natalia Antelava berichtet von ihren Erfahrungen in der OstukraineBild: DW/P. Böll

Russisches Erfolgsrezept: unterhaltsam und emotional 

Auch in ihrer Heimat Georgien gäbe es russischen Einfluss auf die Gesellschaft, obwohl das Land für Moskau schwieriges Pflaster sei: Immer weniger Bewohner der Kaukasusrepublik würden Russisch sprechen, die meisten seien Kremlgegner und eine offen prorussische Politik sei spätestens seit dem russisch-georgischen Krieg 2008 "sehr schwer". Trotzdem gelinge es "dem Kreml, bestimmte Narrative", also Wahrnehmungsmuster, zu verbreiten.

Als Beispiel nannte Antelava Stimmung gegen Homosexuelle, die über soziale Netzwerke und Onlinemedien verbreitet werde. "Oder es gibt diesen Mythos, in Europa sind alle pädophil", sagt Antelava. "Es gibt die Einstellung: Wir wollen nicht nach Europa, weil dort alle homosexuell oder pädophil sind."

Symbolbild russische Propaganda
Die russische Sichtweise überstülpenBild: picture alliance/Bildagentur-online

Ob die Verbreitung solcher Ansichten von Russland finanziert wird, sei jedoch schwer bis unmöglich nachzuweisen. "Oft muss Russland gar nicht zahlen, denn es wird von Menschen unterstützt, die so denken", sagt Antelava. Die im Grunde antiwestlichen Ideen fallen jedenfalls auf fruchtbaren Boden, stellt sie fest.  

Das "russische Erfolgsrezept" sieht nach Antelava so aus: eine professionelle, unterhaltsame und vor allem emotionale Berichterstattung. Traditionelle, konservative Werte und eine damit verbundene antiwestliche Stimmung bei bestimmten Bevölkerungsschichten seien dabei wichtig.

"Bessere Geschichten finden"

Auch im EU-Mitglied Polen sei der mediale russische Einfluss auf die Gesellschaft spürbar, erzählte Ewelina Karpinska-Morek vom Online-Portal Interia. Es sei "beängstigend", wie geschickt Russland "Informationen als Waffe" einsetze, etwa bei der Kommentierung der Online-Artikel durch sogenannte "Internet-Trolle", wie man im Netzjargon Provokateure nennt. Die wichtigste Aufgabe der Journalisten sei vor diesem Hintergrund, Fakten zu überprüfen. "Wir sollen Russen aber nicht als Feinde betrachten, sondern als Opfer ihres Landes", appellierte Karpinska-Morek.

Medien in West- und Osteuropa sollen besser und spannender werden, glaubt die Georgierin Antelava. "Wir müssen bessere Geschichten finden", so die ehemalige BBC-Korrespondentin. Was sie wohl meinte war: Westlicher Qualitätsjournalismus soll sich in der neuen digitalen Welt neu erfinden. Man könne auch "von Hollywood" lernen, wie man Geschichten spannender erzählt. 

Doch man dürfe dabei die journalistischen Standards nicht aufgeben. Frank Hofmann, ehemaliger DW-Büroleiter in Kiew, formulierte es so: Man solle "den Weg der Wahrheit" weitergehen.