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Russland: Illegale Migranten müssen Märkte verlassen

23. November 2006

Experten zufolge leben in Russland zwischen sechs und zwölf Millionen Menschen illegal. Viele von ihnen arbeiten auf Märkten. Die Behörden versuchen nun, sie von dort zu verdrängen. Experten kritisieren das Vorgehen.

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Viele Verkäufer stammen aus dem KaukasusBild: AP

Der Leiter des Departements für Verbrauchermarkt und Dienstleistungen der Moskauer Stadtregierung, Wladimir Malyschkow, hat mitgeteilt, dass zahlreiche Verkaufsstände auf den Märkten der Hauptstadt am Mittwoch (22.11.) nach Kontrollen geschlossen wurden. Diese Kontrollen hatte zuvor die russische Regierung angeordnet. Zunächst hatte der russische Präsident Wladimir Putin dazu aufgerufen, gegen die auf den Märkten arbeitenden Einwanderer vorzugehen. Premierminister Michail Fradkow folgte dem Aufruf des Staatsoberhaupts und setzte vergangene Woche genaue Fristen für die Kontrollen an.

Mangel an Arbeitskräften in Moskau

Überraschend übte Wladimir Malyschkow von der Moskauer Stadtregierung am 22. November Kritik am Vorgehen der Behörden. Der Leiter des Departements für Verbrauchermarkt und Dienstleistungen unterstrich, dass die russische Hauptstadt längst unter einem Mangel von Arbeitskräften leide. Die Vertreibung der Migranten von den Märkten könnte die Lage noch verschlimmern. Wladimir Malyschkow erklärte, er wisse nicht, wie man Einwohner Moskaus gewinnen könnte, auf den Märkten der Hauptstadt zu arbeiten. Aber all diese Fragen wolle er nun an den Migrationsdienst des Landes weiterleiten.

Kritik an gewaltsamen Kontrollen

Die Mitarbeiterin des Instituts der Akademie der Wissenschaften für soziale und wirtschaftliche Probleme der Bevölkerung, Jelena Tjurjukanowa, meint, die Kontrollen, mit denen die illegale Migration bekämpft werden sollten, hätten inzwischen einen gewaltsamen Charakter angenommen. Die Expertin spricht von einer Verallgemeinerung des Problems, was noch nie Gutes bewirkt habe. Jelena Tjurjukanowa erinnert außerdem an die im vergangenen Jahr laut gewordenen Forderungen nach einer Amnestie von eingewanderten Arbeitskräften. Im März dieses Jahres seien Ergebnisse eines Experiments vorgestellt worden, das in zehn Regionen des Landes vorgenommen worden sei. Die Ergebnisse seien sogar von Behördenvertretern insgesamt als positiv bewertet worden.

Menschenrechtler fordern Amnestie

Die Vorsitzende des Komitees "Bürger-Unterstützung" und Leiterin des Netzwerks "Migration und Recht", Swetlana Gannuschkina, warnt seit langem vor den ungelösten Einwanderungs-Problemen. Sie kritisiert in diesem Zusammenhang die Behörden: "Es wurde beschlossen, eine Machtstruktur im Rahmen des Föderalen Migrationsdienstes zu schaffen. Das bedeutet, der Schwerpunkt wird nicht auf die Hilfe für Einwanderer, nicht auf die Verbesserung der Lage eingewanderter Arbeitskräfte und deren Legalisierung gelegt, sondern darauf, dass sie gewaltsam gezwungen werden, Russland zu verlassen." Würden die Einwanderer von den Märkten verdrängt und könnten sie das Land nicht verlassen, so entstünde lediglich ein neues Problem.

Jegor Winogradow, Moskau
DW-RADIO/Russisch, 22.11.2006, Fokus Ost-Südost