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Russland in der Zwickmühle

Ingo Mannteufel11. Februar 2003

Die beiden Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat, Russland und Frankreich, haben sich gegen eine zweite UN-Resolution zur Irak-Krise ausgesprochen – doch der russische Präsident Putin steckt in einem strategischen Dilemma.

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Demonstrierte EinigkeitBild: AP

Die USA dringen auf eine zweite Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Irak-Krise, die vermutlich einen Militärschlag gegen den Irak ermöglichen soll. Die französische Regierung wie auch Russland lehnen dies jedoch gegenwärtig ab.

Daraus ist aber noch nicht zu schließen, wie Russland sich in der Frage "Krieg oder Frieden" letztendlich entscheiden wird. Denn die aktuelle Diskussion unter russischen außen- und sicherheitspolitischen Experten weist auf ein strategisches Dilemma der russischen Position in der Irak-Krise hin.

Perspektiven des Iraks und die Interessen Russlands

Viele russischen Fachleute hielten bei einem Treffen Ende Dezember 2002 einen US-Militärschlag gegen den Irak und den Sturz des irakischen Diktators in den nächsten Monaten für wahrscheinlich. Der einflussreiche Sicherheitsexperte Sergej Karaganow begründete das in einem Beitrag damit, dass die USA ohne Gesichtsverlust nicht einfach klein beigeben könnten - angesichts der aufgeheizten diplomatischen Krise, der Verteufelung Saddam Husseins und dem massiven US-Truppenaufmarsch am Golf.

Zwar sei der Ausgang der Irak-Krise für Russland nach Meinung der Experten ziemlich wichtig, sowohl wirtschaftlich (Erdöl) als auch geopolitisch (die Region des Nahen und Mittleren Ostens). Die Möglichkeiten für die russische Außenpolitik, die amerikanische Militäraktion zu stoppen, hielten die Experten jedoch für gering.

Die Varianten russischer Außenpolitik

Nach Auffassung von Karaganow würde ein aktiver russischer Widerstand gegen die Politik der USA - beispielsweise ein Veto im UN-Sicherheitsrat - zwar Zustimmung aller finden, die gegen den Krieg sind. Im Gegenzug würde aber Russland einem heftigen Druck der USA auf allen weltpolitischen Feldern ausgesetzt. Und dies, obwohl Moskau die Unterstützung Washingtons brauche, wie beim Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation oder in der Tschetschenien-Frage. Für Georgij Mirskij, Professor an einem bedeutenden außenpolitischen Forschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften, wäre das faktisch ein Eingeständnis, dass die ganze Politik wertlos sei, die Präsident Putin nach dem 11. September initiiert hat.

Einen passiven Widerstand – Enthaltung im Sicherheitsrat – hält Karaganow langfristig für ungünstig, weil man dann die wirtschaftlichen Interessen Russlands in einem Post-Saddam-Irak vergessen könne. Mirskij sieht das ähnlich: Die Amerikaner zu unterstützen oder eine neutrale Position einzunehmen, hieße faktisch, ihre Militäraktion zu sanktionieren. Damit würde Russland nicht nur die arabische Welt, sondern die Entwicklungsländer im Ganzen und einen erheblichen Teil der linken Intelligenz des Westens zurückweisen.

Russische Zustimmung zum Krieg?

Als vierte Variante für die russische Außenpolitik setzt sich Karaganow für eine "aktive Diplomatie und passive Unterstützung" ein. Damit meint er einen maximalen diplomatischen Einsatz für den Erhalt des Friedens – zumindest für einige Monate – mit dem Ziel, Hussein zum Rücktritt zu bewegen oder die Abrüstung der Massenvernichtungswaffen zu belegen. Falls das nicht gelinge, sollte Russland den USA die Zustimmung zum Krieg geben - und gleichzeitig die Bereitschaft signalisieren, sich unter Berücksichtigung der russischen Interessen am Wiederaufbau des Iraks unter UN-Mandat zu beteiligen. Dazu könnte dann auch die Mitwirkung an Internationalen Friedenstruppen gehören.

Wahrscheinlich deshalb konnte am vergangenen Freitag (7.2.2003) ein ranghoher US-Diplomat in Moskau von den Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert werden: "Wir werden uns mit unseren russischen Freunden in der Irak-Frage schon einigen."